Hexenjagd
organisieren. In Ordnung?“ Weil sie keine Regung zeigte, trat er wieder an sie heran und wollte sie an sich ziehen. Da sie aber sofort vor ihm zurückschreckte, gab er seinen Versuch widerwillig auf. „Nun komm schon“, sprach er begütigend auf sie ein. „Du hast doch zu Hause sicherlich auch etwas zu tun. Hier kannst du doch sowieso nicht arbeiten. Geh heim! Es kommt alles wieder in Ordnung. Bitte, Celiska. Hör auf zu weinen. Das kann man ja nicht mit ansehen. Ich kauf’ dir neue Pflanzen. Jetzt mach dich doch nicht so verrückt!“ Wieder versuchte er sie zu umarmen und fühlte tiefe Genugtuung in sich aufsteigen, weil sie ihn diesmal gewähren ließ. Vorsichtig, als könne jede unbedachte Bewegung diesen einzigartigen Augenblick zerstören, zog er sie noch näher an sich heran und drückte seine Lippen auf ihr Haar. Da sie auch das duldete, ohne ihn gleich voller Empörung von sich zu stoßen, wollte er die Gelegenheit nutzen, um sie zu küssen. Doch er kam gar nicht erst in die Nähe ihres Mundes, denn sie entzog sich ihm mit einer kleinen schnellen Drehung, um gleich darauf mit gesenktem Kopf zur Tür zu hasten.
„Bis morgen dann.“ Ehe er reagieren konnte, war sie auch schon hinaus und schloss die Tür leise, aber mit großem Nachdruck hinter sich.
Redehof Junior blieb mitten im Vorzimmer zurück und seufzte schwer. Die Kleine war schon ein harter Brocken, dachte er unzufrieden. Seit sie ihm zum ersten Mal begegnet war, hatte sie ihn gereizt, ohne dass er genau sagen konnte, warum – sie entsprach noch nicht einmal annähernd dem Typ Frau, den er bevorzugte. Trotzdem hatte er sofort das unwiderstehliche Verlangen gespürt, sie für sich zu gewinnen. Dass sie aber so gar nicht auf sein Werben reagierte, machte ihm mächtig zu schaffen. Obwohl er sich seiner Wirkung auf Frauen bewusst war, verspürte er in Celiskas Gegenwart immer ein Gefühl der Unzulänglichkeit. Er konnte es nicht genau erklären – und eigentlich wollte er es auch nicht wahrhaben –, doch sein Charme schien bei ihr völlig wirkungslos zu sein. Eine sehr kühle Lady, stellte er gereizt fest. Und trotzdem … Diese Eroberung musste er machen! Es war nicht nur das Verlangen nach Selbstbestätigung, nein. Es war einfach … Er wollte sie haben!
Zur gleichen Zeit, da ihr Chef sich zu einem Besprechungstermin aufmachte, in dessen Verlauf er vergessen sollte, dass er im Schreibzimmer seinem Ärger über den Zustand seines Büros hatte Luft machen wollen, verließ Celiska das Gebäude, um zur nächsten Bushaltestelle zu gehen. Auch in ihrem Kopf überschlugen sich die Überlegungen. Dass Nils sie sympathisch fand, wusste sie schon lange. Sie hätte blind und taub sein müssen, um dies nicht zu merken. Dass er sie aber auch als Frau begehrte, hatte er heute zum ersten Mal gezeigt. Nein, stellte sie gleich richtig. Nicht zum ersten Mal, aber unmissverständlich. Aber wie sollte sie reagieren? Sie mochte ihn auch, gestand sie sich ein, war sich jedoch unsicher, wie sie die Gefühle in ihrem Innern benennen sollte. Irgendetwas war da, nicht wirklich greif- oder erklärbar, was sie immer wieder vor ihm zurückschrecken ließ. Und heute hatte sie noch nicht einmal überlegt – sie war seinem Kuss instinktiv ausgewichen. Als bedeute er eine undefinierbare Gefahr für sie, hatte sie sich losgerissen und war geflohen. Albern – wirklich! Sie benahm sich ja fast, als wollte Nils sie mit Haut und Haaren verschlingen.
Hätte man ihr erklärt, dass sie im Grunde bloß Angst vor den eigenen Wünschen und Phantasien hatte, wäre sie wohl in haltloses Gelächter verfallen, denn sie selbst hielt sich für eine modern denkende und weltoffene junge Frau. Dennoch war ihre Sexualität mit extrem starken Schuldgefühlen belastet, denn seit frühester Jugend war ihr eingetrichtert worden, dass körperliches Verlangen nicht das Geringste mit Liebe zu tun hatte. Es sei nur als animalischer Trieb anzusehen, der zwar Fortpflanzungszwecken diente, aber ansonsten „schmutzig“ und deshalb sündhaft war.
Völlig in Gedanken vertieft, stieg Celiska aus dem Bus und legte den kurzen Weg zu ihrer Wohnung mit schnellen Schritten zurück. Während sie den Schlüssel hervorzog, um die Haustür aufzuschließen, wurde diese bereits mit Schwung geöffnet. Gleich darauf fand sie sich mit einem breiten Rücken konfrontiert, der sich in leicht gebückter Stellung befand. Allein die beiden dünnen Arme, die sich nun um den Hals des Gebeugten schlangen, erkannte Celiska
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