Hexenjagd
wäre. Aber dass dieses vermeintlich intime Treffen vor allen Augen stattfinden sollte, und das auch noch im teuersten Restaurant der Stadt, machte ihr doch zu schaffen. Entsprechend nervös betrat sie die Eingangshalle, um sogleich die Garderobe anzusteuern, wo sie den leichten Mantel von den Schultern gleiten ließ und weghängte.
Sie hatte lange überlegt, was sie zu dieser Gelegenheit anziehen sollte, und sich am Ende für ein knöchellanges, gerade geschnittenes Kleid aus blaugrünem Samt entschieden, das ihren Körper locker umschmeichelte, hochgeschlossen war und zudem lange Ärmel besaß. Dazu trug sie eine einreihige Zuchtperlenkette, eine unscheinbare Armbanduhr, schlichte schwarze Pumps und eine kleine Handtasche, die an einem dünnen Tragriemen über ihrer Schulter hing. Das Gesicht hatte sie nur sehr zurückhaltend geschminkt und ihr Haar mit unzähligen Haarklemmen bewusst zu einer streng anmutenden Frisur gebändigt, um schon durch ihr Outfit deutlich zu machen, dass sie keineswegs abenteuerlustig war. Dennoch wirkte sie so anziehend und sexy wie selten zuvor, auch wenn ihr das überhaupt nicht bewusst war.
„Guten Abend, Celiska.“
Redehof Junior stand so plötzlich neben ihr, dass sie meinte, er sei geradewegs aus dem Boden gewachsen. Entsprechend verwirrt schaute sie drein und fuhr im nächsten Moment wie unter einem Hieb zusammen, weil er sie ungefragt unterhakte, um sie sogleich in den Speisesaal zu dirigieren. Dass er unerlaubt ihren Vornamen benutzte, fand sie ein wenig unverschämt. Doch dann rief sie sich zur Ordnung. Albern, schimpfte sie sich selbst aus. Wirklich! Was war denn schon dabei? Hatte sie es nicht längst kommen sehen? Es war doch mittlerweile fast überall üblich, dass sich Vorgesetzte und ihre unmittelbaren Untergebenen nicht mehr so distanziert zueinander verhielten. Das war zwar nicht immer gut – der gegenseitige Respekt litt dadurch so manches Mal –, aber es wurde immer häufiger so gewünscht.
Celiska wagte einen kurzen Rundblick, während sie zu einer kleinen Nische geführt wurde, und entdeckte das eine oder andere bekannte Gesicht unter den Gästen, verbot sich jedoch selbst, darüber nachzudenken, was man demnächst über sie sagen würde. Stattdessen ließ sie sich den Stuhl zurecht schieben und lächelte ihren Begleiter dabei offen an.
„Darf ich nun auch Ihren Vornamen benutzen?“, fragte sie betont munter, während er sich ihr gegenüber niederließ.
„Aber sicher“, erwiderte er gleichermaßen aufgekratzt. „Bin ohnehin gespannt, wie sich mein Name anhört, wenn Sie ihn aussprechen.“ Ihr leicht gerötetes Gesicht nur widerwillig aus seinem Blick entlassend, winkte er sogleich einen der Kellner heran, damit dieser die Speisekarten bringe.
„Nils“, ließ Celiska unterdessen hören. „Wie klingt das?“
„Gut.“ Er grinste so zufrieden, als hätte er gerade eine äußerst erfreuliche Nachricht erhalten. „Dann können wir ja darauf anstoßen.“ Da er vorgesorgt hatte, musste er nun nur noch die Gläser füllen. „Bliebe noch das Du. Wollen wir das gleich erledigen? Oder heben wir uns den Spruch für später auf?“
Obwohl sie sich buchstäblich überrannt fühlte, war Celiska nichts anzusehen, während sie das dargebotene Glas in Empfang nahm. Allein ihr Zögern kam ihr selbst ein bisschen lang vor, so dass sie sich zu einer Antwort zwang.
„Machen wir doch alles in einem.“ Es kostete sie reichlich Mühe, ihre Miene unbekümmert aussehen zu lassen, denn in ihrem Innern sperrte sich alles gegen die zunehmend intimer werdende Atmosphäre und das vertrauliche Gehabe ihres Gastgebers. „Während der Ausbildung hat man uns doch immer eingetrichtert, dass man die Aufgaben möglichst kombiniert, um sich Arbeit und Zeit zu ersparen! Also sparen wir uns heute Abend einmal den Arm zu heben und das Sektglas zu halten.“ Die Feststellung sollte eigentlich salopp klingen, kam jedoch recht lahm über ihre Lippen. Doch das schien ihren Begleiter nicht zu stören.
Als sei es das Normalste auf der Welt, dass sie zusammen ausgingen, mimte Nils Redehof den aufmerksamen Gastgeber und wünschte sich nicht zum ersten Mal, den roten Mund seiner Begleiterin küssen zu dürfen – und noch einiges mehr. Geduld, ermahnte er sich, wenn er sich wieder einmal bei dem Verlangen ertappte, ihre Hand zu ergreifen. Sie war wie eine berührungsempfindliche Schnecke – kam man ihr unerlaubt zu nahe, würde sie garantiert in ihrem Schneckenhaus verschwinden, um für
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