Hexenjagd
Chaos und der emotionalen Eiszeit des zwanzigsten Jahrhunderts war sie eine herzerfrischende Ausnahme, die allerdings an ihrer rücksichtslosen Umwelt und der eigenen Sensibilität zerbrechen würde, falls ihr niemand zur Seite stand, um sie zu beschützen. Ach wie gern wollte er derjenige sein, der sie vor allem Bösen bewahrte, wünschte er sich sehnsüchtig.
*
Celia durchmaß den Salon mit raschen, sicheren Schritten. Man hatte nach ihr gerufen, damit sie Lady Langley half, also strebte sie nun zu deren Schlafgemach, um das entspannende Bad zu richten, nach dem verlangt worden war.
„Na, welches Zauberkraut hast du heute dabei?“
Die junge Frau blieb erschrocken stehen, drehte sich um und fand sich von Mary gestellt, die in einer Wandnische gestanden und offenbar auf sie gewartet hatte. Doch kaum nahm sie das hasserfüllte Gesicht ihres Gegenübers wahr, erinnerte sie sich an Venices Warnung, so dass sie ihre Worte sorgfältig zurechtlegte, bevor sie zu einer Antwort ansetzte.
„Wenn Ihr Melisse als Zauberkraut bezeichnen wollt, steht Euch das natürlich frei.“ Sie bemühte sich um Freundlichkeit, auch wenn sie nichts lieber getan hätte, als Mary zu sagen, für wie verachtenswert sie ihr Verhalten hielt. „Allerdings müsstet Ihr dann alle Bauern und auch die modernen Ärzte Zauberer nennen, denn sie schwören auf die Wirkung dieser Pflanze.“ Ohne eine Erwiderung abzuwarten, drehte sie sich um und eilte davon.
„Mein liebes Kind“, flötete die alte Dame, als sie Celias ansichtig wurde. „Ich kann es kaum erwarten! Was hast du da?“
Ein Sträußchen getrockneten Melissenkrauts vorzeigend, lief die junge Frau sogleich zum hölzernen Badezuber und erklärte dabei Wirkung und Anwendungsweise.
„Fein, meine Liebe“, seufzte Lady Langley. „Wenn ich’s nicht besser wüsste, würde ich meinen, du bedienst dich der Zauberkraft, um mein Wohlergehen zu fördern.“ Sie registrierte zwar die zutiefst betroffene Miene ihrer zukünftigen Schwiegertochter sowie die plötzlich wächserne Farbe ihrer Wangen, dachte sich jedoch nicht das Geringste dabei. Stattdessen plapperte sie belangloses Zeug, derweil die junge Frau mit aufeinander gepressten Lippen ihre Vorbereitungen traf. Sie gab das trockene Kraut in einen Leinenbeutel, verschnürte ihn mit einem Band und weichte das Säckchen anschließend in dem bereitgestellten Kübel mit kochend heißem Wasser ein, was einen stark riechenden Sud ergab. Am Ende nahm sie den Beutel heraus, kippte die Brühe in den Badezuber und prüfte die Temperatur des Badewassers, bevor sie sich umwandte, um der alten Dame aus ihrer Kleidung zu helfen. Doch kaum bekam sie den Körper ihrer Herrin zu sehen, hielt sie erschrocken den Atem an, denn die Hautfarbe erinnerte an hellen, fleckigen und daher minderwertigen Marmor.
Durchblutungsmangel, stellte Celia in Gedanken fest, um gleich darauf ihre Vermutung bestätigt zu finden. Als sie nämlich Lady Langleys Arm umfasste, um ihr beim Einstieg in den Badezuber zu helfen, meinte sie eine Tote zu berühren. Eiskalt, dachte sie erschrocken. Dabei hätte die Herrin eigentlich völlig verschwitzt sein müssen, da der Raum ziemlich überheizt war. Obwohl es ein recht milder Herbsttag war, brannte im Kamin ein hell loderndes Holzfeuer.
„Ihr solltet wirklich ab und an einen Spaziergang machen“, wagte sie vorzubringen. „Ein wenig körperliche Bewegung würde Euch sicher gut tun.“
„Papperlapapp“, wischte man ihren Vorschlag beiseite. „Ich habe keine Freude an Gewaltmärschen! Es reicht doch völlig aus, wenn ich im Hause herumlaufe.“ Während sie noch sprach, ließ sie sich wohlig seufzend in das warme Wasser gleiten und verlangte, von Celia den Rücken gewaschen zu bekommen.
Die junge Frau wusste, sie sollte lieber still sein, konnte den nächsten Satz jedoch nicht unterdrücken. „Wenn Ihr Euch so wenig bewegt, wird Euer Körper nicht richtig durchblutet“, tadelte sie leise. „Als Erstes sieht man das dann der Haut an. Sie wird alt und runzlig.“ Da sie sich in der Hocke befand und zudem den Kopf gesenkt hielt, um die Arbeit ihrer Finger zu kontrollieren, sah sie die Hand nicht kommen, so dass der Hieb sie buchstäblich von den Beinen fegte. Einen erschrockenen Schrei ausstoßend, landete sie unsanft auf ihrem Gesäß und konnte zunächst nicht fassen, dass man sie allein wegen eines harmlosen Hinweises geschlagen hatte. Verblüfft starrte sie zum wütenden Gesicht ihrer künftigen Schwiegermutter
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