Hexenkatze - Roman
Idee formte sich. Wenn ich wirklich gezielt die zerstörende Seite meines Wesens einsetzen konnte, müsste ich dann nichtauch die Kerzen zum Erlöschen bringen können? Ich forschte in mir nach und fand eine Möglichkeit. Wenn mein Sinnen darauf gerichtet war, die Kerze vor dem Abbrennen zu bewahren, dann müsste durch die Zuneigung zur Kerze die Flamme ausgehen, oder?
Ich sah die Kerze des Ostens an. Die Flamme wurde kleiner, wurde blau und mager, der Docht glühte noch einmal auf, und dann kräuselte sich nur noch ein dünnes Rauchfädchen in der Luft.
Ich konzentrierte mich auf die Flamme des Südens. Sie erstickte ohne Flackern. Die dritte Kerze knisterte leicht, die vierte glühte ein wenig länger nach. Zufrieden saß ich in der Dunkelheit, nur das Räucherwerk gloste noch sacht unter seiner Asche.
»Hast du das gemacht, Mam?«, flüsterte Micki.
»Ja. Und zwar ganz bewusst. Komm, zünde du sie wieder an.«
In kleinen Feuerzaubern ist Micki inzwischen gut. Sie brauchte nur ganz wenig länger als ich, um die vier Kerzen wieder zum Brennen zu bringen.
»Fein. Und jetzt wollen wir den Kreis auflösen.«
Ich erhob mich wieder, und mit erneut erstaunlich schweren Armen zog ich den Kreis um uns herum. Mysteriös – meine Arme schienen sich selbständig machen zu wollen, die Ärmel meines Kimonos wedelten, es quiekte protestierend, und ein Nieser kam aus der linken Seite.
»Huch!«, sagte Micki, was sich ängstlich anhörte.
Dann gab es zweimal einen Plumps, und das Geheimnis der schweren Arme war gelöst. Das heilige Mysterium hatte an dem Ritual teilgenommen, verborgen schlummernd in den Tiefen des Gewandes.
»Die Katzen? Wie sind die denn da reingekommen?«
»Wahrscheinlich sind sie mit dir in das Zimmer geschlüpft. Na, Katzen dürfen das. Jetzt haben sie sich ihren Namen wenigsten verdient.«
Zumindest in den nächsten Nächten blieb ich von beklemmenden Träumen verschont. Die Woche verging, es wurde noch einmal wärmer, ein Nachwehen des Sommers mit den Feuerfarben des Abschieds. Doch mit dem Wochenende kam wieder der Herbst zurück. Und er kam gewalttätig mit einem Sturm, der sich über fernen Wassermassen satt getrunken hatte.
Am Freitagmorgen noch war es schön gewesen, die Frühnebel hatte die Sonne bald vertrieben, und ich, die ich dem Wetterbericht ungefähr genauso vertraue wie den Börsenberichten oder Zeitungshoroskopen, ignorierte ganz einfach, dass es bereits in den Mittagsstunden zu einer drastischen Verschlechterung der Lage kommen sollte. Die vergangenen Tage war ich noch immer mit dem Rad zum Studio gefahren, warum also nicht auch heute? Der Winter würde lang genug dauern.
Aber in diesem Fall hatten sich die Freunde des meteorologischen Orakels unerwartet doch nicht geirrt, denn als ich nach meinem Kurs gegen halb zwölf aus der Tür hinaussah, bogen sich bereits die magersüchtigen Bäumchen auf dem Parkplatz, als müssten sie vor mir den Hofknicks zelebrieren. Na fein, das würde ein anstrengendes Gestrampel werden. Aber so lange es wenigstens noch nicht dabei feucht war, na gut, hatte ich eben ein paar Kalorien mehr zu verbrennen.
Da ich den Weg um die Abbruchhäuser in der letzten Zeit vermied, hatte ich etwa einen Kilometer Umweg über belebte Straßen zu fahren. Ich geriet ganz gut ins Schnaufen, denn in welche Richtung ich auch fuhr, der Wind schien beständig von vorne zu kommen. Mir wurde so warm, dass ich die Ärmel meines Trainingsanzugs bis zu den Ellenbogen hochschob und den Reißverschluss der Jacke bis zur Taille aufzog. Der Stoff blähte sich dadurch gewaltig auf und gab mir vermutlich das Aussehen eines hochschwangeren Segelschiffes.
Leider auch die Windschlüpfrigkeit eines solchen. Und es kam, wie es kommen musste. In einer Kurve erfasste mich eine Böe, und ich verlor meinen geraden Kurs. Nur den Bruchteil einer Sekunde vorher erahnte ich das herannahende Auto und warf mich zur Seite in Richtung Bürgersteig. Viele Jahre Training machten sich endlich bezahlt. Das Fallen hatte ich gelernt, und es bewährte sich in der Praxis. Ich kam auf den Händen auf, schrammte mit den Unterarmenüber das Pflaster, schlug mit dem rechten Knie am Bordstein auf, aber mein Kopf blieb unversehrt. Und der Rest, soweit ich es nach der Schrecksekunde beurteilen konnte, auch. Nur mein Fahrrad lag unter dem Auto, ein verbogenes Wrack aus Alu, Plastik und Gummi.
Der Fahrer des Wagens war ausgestiegen und stand blass vor Entsetzen vor den Trümmern. Natürlich gab es auch gleich
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