Hexenkatze - Roman
hingelegt, dass ich morgens wieder da bin.«
»Ohne Adresse, ohne alles. Mit welchem Weib warst du zusammen?«
»Xenia, bitte!«
Micki stupste mich an. Und ob die aufgebrachte junge Frau das gesehen hatte oder ob sie von einer gewissen Hellsichtigkeit war, blieb verborgen, jedenfalls zog sie den richtigen Schluss und keifte los.
»Du warst bei ihr!« Mit ihrem langen Zeigefinger stieß sie nach mir. »Du warst bei der ach so respektablen Nachbarin. Du Dreckskerl, du verdammter! Und ich gebe mir Mühe, dir ein Heim zu schaffen. Jede Mühe, und du treibst dich mit dieser Schlammkuh rum. Die hat’s doch sogar mit Negern. Guck dir doch das Gör an!«
Mir entschlüpfte Agnes’ Lieblingsseufzer: »Allmächtige!«
»Die ist total abgedreht«, sagte Micki laut. Das war Wasser auf Xenias schepperndes Mühlrad.
»Wahrscheinlich treibst du es mit beiden, du mieser Hund. Und so was will mein fürsorglicher Bruder sein. Wenn ich mal einen Abend weg will, stimmst du ein Gezeter an, aber selbst hurst du dich durch die ganze Nachbarschaft!«
»Xenia, es langt!«, donnerte Alex sie an. Aber es langte ihr noch bei weitem nicht. Sie konnte sich noch steigern.
»Mam, kannst du nicht was machen. Das ist ja furchtbar.«
»Nein, Micki, das kann ich nicht. Dagegen muss er sich selbst schützen.«
Hilflos standen wir dabei, wie Xenia die Umgebung mit ihrem hysterischen Ausbruch beschallte und die unmöglichsten Beleidigungen ausstieß. Alex wirkte wie mit einem Vorschlaghammer getroffen, er ließ den Sermon eine ganze Weile über sich ergehen, wurde starrer und starrer. Schließlich ging Xenia die Puste aus, und sie stürzte ins Haus. Wenige Sekunden später dröhnte Musik in voller Lautstärke aus ihrem Zimmer.
»Entschuldigung«, sagte Alex steif zu uns und ging ebenfalls hinein. Die lautstarke Auseinandersetzung, die jetzt folgte, übertönte sogar die misstönende Musik.
»Mam, warum?« Micki war sichtlich erschüttert.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht ist sie krank.«
»Neulich war sie aber ganz normal.«
»Heute ist sie das deutlich nicht. Armer Alex.«
»Ob sie wirklich seine Schwester ist? Das klang mehr nach eifersüchtiger Freundin.«
»Frag mich nicht, Micki. Er spricht nicht über sich. Und schon gar nicht über seine Familie.«
»Mann, die gehört doch ins Dachgeschoss eingeschlossen. Mit einem buckligen Diener als einzigen Wächter.«
»Was für Schauerromanzen hast du denn jetzt schon wieder gelesen?«
»Jane Eyre, in der Schule.«
Wir räumten gemeinsam so gut es ging die Reste der stürmischen Nacht weg, und ich legte mich danach erschöpft auf das Sofa. Mein Muskelkater war zurückgekehrt. Und meine Stimmung war auf ihrem Tiefststand angekommen. Was, wenn Xenia wirklich die irre Ehefrau von Alex war? Micki hatte einen nicht ganz unzulässigen Schluss gezogen, der an meinen Gefühlen nagte. Was wusste ich schon von Alexander Harburg?
Wenigstens die donnernde Musik brach plötzlich ab, und es war erschreckend still im Haus.
Am späten Nachmittag kam Alex noch einmal zu uns. Micki und ich saßen im Wohnzimmer und lasen Zeitung. Alex sah zerquält aus und ließ sich müde in den Sessel fallen, was das heilige Mysterium mit protestierenden Faucherchen kommentierte. Er nahm Misty auf den Schoß und streichelte sie, Holly krabbelte zu Micki, und ich schenkte ihm einen Whiskey ein.
»Danke, Deba. Tut mir leid, dass ihr das miterleben musstet.«
»Ist nicht so schlimm, Alex. Nur … wie hast du die Musik aus bekommen?«
»Oh, sehr einfach. Ich habe die Sicherung ausgeschaltet.Ich muss auch dafür Abbitte leisten. Ich hatte noch nie erlebt, mit welcher Lautstärke sie ihr Gedröhne hört. Dabei bekommt man wirklich kein Telefonklingeln mit.«
»Guter Trick, das mit der Sicherung.«
»Ja. Und damit ihr und der Rest der Straße das nicht noch mal erleiden müsst, habe ich euch den Haustürschlüssel von mir mitgebracht. Der Sicherungskasten ist an der gleichen Stelle wie hier, es ist die dritte von links, an der ihr Zimmer hängt.«
Er legte ein Schlüsseletui auf den Tisch.
»Gute Idee«, meinte Micki und sah ihn an. »Magst du uns vielleicht etwas von ihr erzählen, Alex?«
Ich sah verwundert auf. Die Frage hätte ich wahrscheinlich nicht zu stellen gewagt. Aber Micki hatte recht.
»Ja, deshalb bin ich zu euch gekommen. Vielleicht macht es euch die Sache ein bisschen verständlicher.«
Ich legte mein schmerzendes Knie hoch und nickte.
»Seht ihr, mein Vater war ein, nun ja, recht
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