Hexenkessel
London gearbeitet. England hat mir gut gefallen. Die Menschen dort sind so höflich. Sehen Sie, da drüben liegt das berühmte AMBECO-Gebäude.«
Paula schnappte nach Luft. Der Ausblick war in der Tat überwältigend. Sie starrte auf die weltbekannte Golden Gate Bridge, die den Eingang der Bucht überspannte, und machte Alvarez begeistert darauf aufmerksam.
Er stellte das kleine, aber lichtstarke Fernglas für sie ein und reichte es ihr. »Schauen Sie zur AMBECO hinüber. Ziemlich weit oben liegt ein Büro, dessen Fenster offensteht. Drin sitzt ein Mann an seinem Schreibtisch und arbeitet. Können Sie ihn sehen?«
Sie fand das betreffende Fenster sofort. In dem Raum saß ein Mann mit aufgerollten Hemdsärmeln, den Kopf über einige Papiere gebeugt, die er mit äußerster Konzentration zu studieren schien. Paula konnte gerade noch einen Laut der Überraschung unterdrücken.
»Das ist ja Joel Brand!« rief sie.
»Die Kandidatin hat hundert Punkte.«
Paulas Gedanken flogen zu dem Feuergefecht bei Mullion Towers im entfernten Cornwall zurück. Der Mann, den sie gerade beobachtete, hatte die Truppe angeführt, mit der sie sich auseinandersetzen mußten, nachdem sie über die Mauer geklettert waren, die Molochs Besitz umgab.
Sie reichte das Glas an Tweed weiter, der den Mann hinter dem Schreibtisch aufmerksam betrachtete und sich sein Äußeres genau einprägte. Es war das erste Mal, daß er Molochs rechte Hand persönlich zu Gesicht bekam. Dann gab er Newman das Fernglas.
»Arbeitet anscheinend verdammt hart«, lautete sein einziger Kommentar.
»Das ist eine Grundvoraussetzung, wenn man bei Moloch angestellt ist. Angeblich benötigt Moloch selbst nur vier Stunden Schlaf pro Nacht - er arbeitet wie ein Besessener …«
»Besessene Menschen sind gefährlich. Er hat doch eine Stiefmutter, eine gewisse Mrs. Benyon. Wissen Sie zufällig etwas über sie?«
»Ich weiß eine ganze Menge über VB«, entgegnete Alvarez. »Mrs. Benyon ist vor kurzem in ein Haus namens The Apex gezogen. Wenn Sie sie aufsuchen wollen, zeige ich Ihnen auf der Karte, wo genau es liegt. Sie finden es in der Nähe von Big Sur - und von Black Ridge, Molochs etwas außerhalb der Stadt gelegenem Hauptquartier. Black Ridge können Sie gar nicht verfehlen.«
Alvarez zog eine Karte von Nordkalifornien aus der Tasche, markierte die genaue Lage beider Häuser mit einem Kreuz und reichte sie Tweed, der sich bei ihm bedankte.
»Merkwürdig, daß wir das Dach ganz für uns haben«, bemerkte er dann.
»In der Stadt findet augenblicklich eine große Tagung statt - viele Hotelgäste werden dort sein.«
»Wenn der Kerl da Joel Brand ist«, sagte Newman finster und richtete das Glas auf ihn, »dann möchte ich ihn gerne einmal näher kennenlernen.«
»Seien Sie vorsichtig«, warnte Alvarez. »Der Bursche ist gefährlich.« Er musterte Newman prüfend. »Aber Sie werden wohl mit ihm fertig werden. Sie wirken ziemlich zäh - müssen Sie wohl auch sein, sonst hätten Sie die vielen Reisen in exotische Länder, die Sie Ihres Berufs wegen unternommen haben, kaum unbeschadet überstanden. Ich war ein begeisterter Leser Ihrer Artikel. Schade, daß Sie nicht mehr schreiben.«
Alvarez’ Handy klingelte. Er meldete sich, hörte kurz zu und wandte sich dann an Tweed.
»Für Sie. Eine Frau namens Monica.«
»Hier Tweed.«
»Ich weiß, daß Sie in Ihrem Hotel sind.« Monica legte eine Pause ein, die Tweed verriet, daß sie das, was sie zu sagen hatte, verschlüsseln würde.
»Das Schiff, von dem ich gesprochen habe, liegt immer noch vor der Küste. Ich habe meinen Freund angerufen, und der sagte, es würde bald zu einer Kreuzfahrt im östlichen Mittelmeer aufbrechen. Ich würde gar zu gerne mitfahren. Vielleicht komme ich sogar bis in den Libanon, wer weiß? Ich denke, ich werde einfach eine Kabine buchen.«
»Tun Sie das«, erwiderte Tweed. »Das Wetter dort drüben ist ähnlich wie hier. Sehr heiß.«
»Hier hat es sich zum Glück etwas abgekühlt. Die Hitzewelle ging ein paar Stunden nach Ihrer Abreise zu Ende, und nun regnet es. Schönen Urlaub noch …«
Tweed übersetzte den anderen unverzüglich, was Monica ihm berichtet hatte - daß die Venetia für eine Fahrt in den Libanon bereitgemacht wurde.
»Die arabische Mafia«, sagte Alvarez leise. »Davor hat man in Washington die größte Angst. Moloch besitzt in den Bergen hinter Beirut ein prachtvolles Haus.«
»Seine Zuflucht, nachdem das große Ereignis eingetreten ist«, dachte Tweed laut.
»Was
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