Hexenkessel
kabbalistischen Zeichen auf der steinernen Terrasse hin. Wir haben es anscheinend mit einer ziemlich überspannten Person zu tun, dachte er. Er hatte sich bewußt dazu entschlossen, Paula zu der Unterredung mit Mrs. Benyon mitzunehmen, weil er hoffte, ihre Anwesenheit würde der Frau Vertrauen einflößen.
Das Betätigen der Klingel bewirkte, daß innen im Haus kirchenähnliches Glockengeläut erscholl. Während er geduldig wartete, nahm Paula ein kleines Fernglas aus ihrer Umhängetasche und richtete es auf ein riesiges Schiff, das bewegungslos ungefähr eine halbe Meile vor der Küste lag.
»Sehen Sie sich das einmal an«, forderte sie Tweed auf.
»Die Baja California V «, entzifferte Tweed laut. »Sieht aus wie ein großer Schwimmbagger.«
Er hörte, wie auf der anderen Seite der Tür drei Schlösser aufgeschlossen sowie zwei Ketten entfernt wurden. Mit hochgezogenen Brauen sah er Paula an, als sich die Tür nach innen öffnete. Im Rahmen stand die massigste Frau, die er je gesehen hatte. Klein und ungeheuer dick war sie nach seiner Schätzung ungefähr siebzig Jahre alt. Ihr graues Haar war zu einem altmodischen Knoten geschlungen, und sie trug ein dunkelviolettes knöchellanges Kleid mit einem hohen Kragen, der von einer juwelenbesetzten, seltsam geformten Brosche zusammengehalten wurde.
Über Hängebacken und einer scharfgeschnittenen Nase blickten ihn zwei dunkle Augen durchdringend an. Eine bösartige Intelligenz funkelte darin. In jeder Hand hielt die Frau einen Gehstock.
»Mein Name ist Tweed, ich bin Engländer«, stellte er sich vor und gab dann einen Schuß ins Blaue ab. »Ich habe Grund zu der Annahme, daß sich Ihr Sohn Ethan in Gefahr befindet.«
»Kommen Sie herein. Beide. Ich habe gerade frischen Tee aufgebrüht. Und ich stamme ebenfalls aus England. Sie sehen aus wie ein hochrangiger Polizeibeamter.«
»Und dies hier ist Paula«, fuhr Tweed fort. »Meine Assistentin.«
Er überging ihre Anspielung bezüglich des Polizeibeamten, da die Vorstellung ihr zuzusagen schien. Sie warteten in der Halle, während Mrs. Benyon die Tür wieder verschloß und die Ketten vorlegte.
»Meinem Stiefsohn Vincent Moloch ist es irgendwie gelungen, sich in Besitz eines Schlüssels zu diesem Haus zu setzen«, erklärte sie. »Deshalb habe ich eigens einen Schlosser aus Carmel kommen lassen, um meine Tür zu sichern. Folgen Sie mir«, ordnete sie an.
Sie ging voraus, wobei sie sich schwer auf ihre Stöcke stützte. In einem geräumigen Wohnzimmer ließ sie sich auf einen thronähnlichen Stuhl sinken und zeigte mit ihren Stöcken auf zwei weitere Sitzgelegenheiten für Tweed und Paula. Neben ihr auf einem kleinen Tisch standen eine silberne Kanne und eine Tasse aus Meißener Porzellan.
»Wenn Sie gerne Tee mit mir trinken möchten«, sagte sie, an Paula gewandt, »dann seien Sie doch so nett und holen noch zwei Tassen aus der Küche.«
»Danke, für mich nicht«, lehnte Tweed hastig ab.
»Und ich habe keinen Durst«, fügte Paula hinzu.
»Mir fällt gerade etwas ein«, meinte Tweed leichthin. »Dieses große Schiff da draußen vor der Küste, die Baja California … «
»Der Baja komme ich noch nicht einmal nahe«, unterbrach Mrs. Benyon. »Sie gehört Vincent. Hat etwas mit seinen bösen Plänen zu tun.«
»Böse Pläne, Mrs. Benyon?«
»All seine Pläne sind böse. Angeblich wird das Schiff dazu benutzt, Bodenproben vom Meeresgrund zu entnehmen. Zur Altersbestimmung von Kalifornien oder so. Hanebüchener Unsinn! Ich weiß nicht, was er dort treibt, aber dieses Schiff dient bestimmt nicht dem Zweck, den er angibt.«
»Wie lange liegt es schon dort draußen?« fragte Paula.
»Über einen Monat, meine Liebe. Einmal bekam ich mitten in der Nacht einen furchtbaren Schreck. Hörte einen gewaltigen dumpfen Schlag. Ich stand auf und ging zum Fenster, und da sah ich eine kleine Flutwelle auf die Küste zurollen, obwohl das Meer ansonsten spiegelglatt war. Das konnte ich im Mondlicht ganz deutlich erkennen.«
»Eine Art Seebeben vielleicht?« schlug Tweed vor.
»Wieso sagten Sie, Ethan sei in Gefahr?« erkundigte sie sich, ohne auf seine Bemerkung einzugehen.
»Weil ich schon oft gehört habe, daß VB ein gefährlicher Mann sein soll.«
»Und ob er das ist!« Lebhaft beugte sich Mrs. Benyon vor. »Er glaubt, daß ich zuviel weiß - und das tue ich auch. Er hat rund um mein Haus Wachen aufstellen lassen, um mich hier wie eine Gefangene zu halten, aber Ethan hat ihn dazu bewogen, die Männer wieder
Weitere Kostenlose Bücher