Hexenkind
Romano und Sarah auf einer kleinen Tour durch die toskanischen Berge zu begleiten.
»Nur so.« Elsa zuckte die Achseln.
Romano sah Elsa forschend an und hatte das Gefühl, dass sie etwas auf dem Herzen hatte und vielleicht mit ihm sprechen wollte.
Er legte die Zeitung zusammen und stand auf. »Va bene. Gehen wir. Wo ist Edi?«
»In seinem Zimmer. Ich glaube, er schläft. Er hat heute den ganzen Vormittag Eidechsen gejagt und ist völlig erschöpft.«
Fünf Minuten später waren Elsa und Romano auf dem Weg nach Rosenanno.
Die ersten dreihundert Meter gingen sie fast nur schweigend nebeneinander her. Dann erzählte Romano, dass er die Speisekarte in der Trattoria geringfügig ändern und demnächst auch ein »bistecca fiorentina« anbieten wolle, da immer mehr Touristen danach fragten.
»Ich finde die Idee großartig«, meinte Elsa. »Aber ich dachte immer, du kannst es nicht ausstehen, Fleisch zuzubereiten, das noch blutig ist.«
»Ich kann es auch nicht ausstehen.« Romano verzog das Gesicht. »Aber was soll man machen, wenn die Leute es unbedingt wollen.«
Und wieder schwiegen sie minutenlang, bis Romano plötzlich sagte: »Was ist los, Elsa? Was wolltest du mir sagen?«
»Gar nichts! Ich wollte einfach nur eine Weile allein mit dir zusammen sein, ohne dass uns jemand stört.«
»Stimmt. Das haben wir selten.«
Elsa hängte sich bei ihm ein und drückte ihre Wange gegen seinen Arm. »Ich find dich so toll, Romano. Ehrlich. Irgendwie bist du ein klasse Typ.«
Romano blieb überrascht stehen. »Wie kommst du denn plötzlich auf die Idee?«
»Einfach nur so. Ich könnte mir keinen besseren Vater als dich vorstellen.«
»Das ist lieb, dass du das sagst.« Romano war regelrecht gerührt.
»Ich finde es übrigens auch ganz toll, wie du dich Mama gegenüber verhältst. Ich glaube nicht, dass ich das könnte. Dass ich das so cool hinkriegen würde wie du.«
»Was denn?« Romano war irritiert.
»Na, wie du mit all dem klarkommst, mein ich. Dass du sie nicht rausschmeißt oder dich scheiden lässt, das finde ich irre. Denn dann wär ja unsere ganze Familie kaputt.«
»Warum sollte ich mich scheiden lassen?«, fragte Romano vorsichtig und fixierte seine Fußspitzen, die von Schritt zu Schritt staubiger wurden.
»Na wegen diesem blöden Typen.«
»Welchem Typen, Elsa? Was meinst du denn, verdammt noch mal?«
Elsa blieb stehen und machte ein überraschtes Gesicht.
»Na, ich meine diesen Antonio, mit dem Mama ein Verhältnis hat. Ich dachte, das wüsstest du?« Sie sah ihn mit großen Augen an. »Schließlich ist sie jeden Dienstag und Freitag bei ihm und trifft sich auch noch in ihrem Haus mit
ihm. Und darum finde ich es wirklich anständig, wie du dich verhältst.«
Romano setzte sich auf einen Mauervorsprung und schnaufte.
»Nun mal ganz langsam, Elsa. Von all dem, was du mir erzählst, höre ich heute zum ersten Mal. Hör auf mit diesen Andeutungen und sag mir bitte ganz genau, was los ist.«
»Oh Mann, das wollte ich nicht. Hätte ich mal bloß nichts erzählt. Vergiss es, Papa, vielleicht täusche ich mich ja auch.«
»Jetzt ist es zu spät. Also, Elsa, mit wem trifft sie sich?«
»Es tut mir so leid …«
»Bitte.«
»Ich glaube, er heißt Antonio Graziani, und er hat ein Schreibutensiliengeschäft in der Via di Città. Ich bin mir aber nicht so sicher.«
»Woher weißt du das?«
»Ich hab sie zusammen gesehen.«
»Das muss ja noch nichts bedeuten.«
»Stimmt. Das muss vielleicht gar nichts bedeuten. Aber er sieht echt klasse aus. Und er ist ziemlich jung. Sicher nicht älter als fünfundzwanzig.«
Sarah ist vierzig, schoss es Romano durch den Kopf.
»Hieß dein Freund nicht auch Antonio?«
»Ja.« Elsa sprach so leise, dass Romano sie kaum verstehen konnte.
»Und hatte er nicht auch ein Schreibutensiliengeschäft in Siena?«
»Ja.«
»Und du hast ihn mit Mama gesehen?«
»Ja.«
»Wobei?«
»Sie ging zu ihm in seine Wohnung.«
Romano nickte und biss sich auf die Lippe. »Verstehe.«
Aus Romanos Gesicht war jegliche Farbe gewichen. Er war leichenblass.
»Das ist sicher nicht einfach für dich.« Er legte den Arm um Elsas Schultern. »Komm, wir gehen nach Hause.«
Er konnte den Spaziergang keine Minute länger ertragen.
55
Romano schwieg. Er redete nicht mit Sarah, sondern beobachtete sie bei allem, was sie tat, und hörte genau zu, was sie sagte. Er versuchte zu verstehen, was er von Elsa erfahren hatte. Versuchte, es sich vorzustellen, aber es gelang ihm nicht. Er fühlte
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