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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Gegen
Mitternacht streckte sie sich einfach aus und schlief ein.
    Tim kam um drei. »Straße zum Strand« hatte einen silbernen Campanile gewonnen, Tobias, der Regisseur, schien sich über den zweiten Platz eher zu ärgern als zu freuen. Auf der anschließenden Party war er bald verschwunden.
    Tim fand es schade, dass Amadeus nicht gekommen war und den Preis für seine Musik nicht selbst in Empfang genommen hatte, aber außer ihm schien ihn niemand zu vermissen, und irgendwann dachte auch Tim nicht mehr daran. Er flirtete mit der Hauptdarstellerin, bis sie plötzlich von ihrem vielbeschäftigten Mann im geschmacklosen Nadelstreifenanzug abgeholt wurde. Tim fühlte sich getäuscht und war so unglücklich, dass er von dem Moment an jedes Glas leer trank, das ihm von den Kellnern und Kellnerinnen auf kleinen silbernen Tabletts angeboten wurde, bis er Schwierigkeiten hatte, in ein Taxi zu steigen und einigermaßen verständlich seine Adresse zu murmeln.
    Als er sich mühsam die Treppe zu seiner Wohnung hochzog, kam ihm zum ersten Mal der Gedanke, dass Amadeus vielleicht etwas passiert sein könnte und er deswegen nicht zur Preisverleihung erschienen war. Daher sah er ins Wohnzimmer, bevor er zu Bett ging. Auf der Couch schlief eine blutjunge Frau, und auf der Erde lag Amadeus und schnarchte leise. Das erklärte alles.
    Tim legte sich so, wie er war, ins Bett und schlief sofort ein. Am nächsten Morgen hatte er die Frau auf der Couch schon wieder vergessen, denn beim Frühstück, das so gegen ein Uhr mittags stattfand, war sie nicht mehr da.

     
    Elsa wachte um halb acht auf. Draußen wurde es gerade hell. Es rührte sie, dass Amadeus auf der Erde vor ihrer Couch schlief. Da sie keinen Zettel dabeihatte und auch kein Papier im Zimmer herumliegen sah, schrieb sie ihre Telefonnummer auf ein Papiertaschentuch und schlich aus der Wohnung.
    Um drei rief er an. »Wo bist du?«, fragte er.
    »In meiner Wohnung.«
    »Kann ich zu dir kommen?«
    »Na klar.«
    Sie gab ihm die Adresse und wartete mit klopfendem Herzen. Aber er kam nicht.
    Sie wartete bis neun. Zwanzig Minuten später verließ sie die Wohnung.
    In seiner Wohnung brannte Licht, aber die Gardinen waren zugezogen. In der Via delle Terme war es still, hin und wieder knatterte eine Vespa vorbei, aber es drang keine Musik aus dem Haus. Er spielte nicht. Vielleicht schlief er, oder er war nicht allein.
    Sie traute sich nicht zu klingeln, sondern stand vor dem Haus, schrieb mit der Fußspitze seinen Namen auf das Pflaster und wusste nicht, was sie tun sollte.
     
    Er hatte zwei Flaschen Wein getrunken und den ganzen Nachmittag die Musik aufgeschrieben, die immer noch in seinem Kopf klang. Tim ließ ihn in Ruhe. Gegen acht schlief er mit dem Kopf auf den Tasten ein.
    Zwei Stunden später wurde er langsam wach und erinnerte sich erst allmählich daran, wo er war. Die Deckenbeleuchtung brannte und holte ihn schlagartig in die Wirklichkeit zurück. Er sah auf die Uhr. Zehn nach zehn. Verdammt.

    Er ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Bis auf eine Büchse offenes Tomatenmark, ein paar verschrumpelte Paprika, Margarine und ein noch eingeschweißtes Stück Parmesankäse war der Kühlschrank leer. Erst jetzt fiel ihm ein, dass er den ganzen Tag noch nichts gegessen und nur die zwei Flaschen Wein auf nüchternen Magen getrunken hatte. Er hatte Sodbrennen und trank über der Spüle Wasser direkt aus dem Hahn. Es schmeckte metallisch bitter nach alten Rohren, und er spuckte es aus.
    Die Wohnung war leer. Tim hatte noch nicht mal einen Zettel hingelegt. Wahrscheinlich war er frustriert über seinen Untermieter, der entweder betrunken war, schlief oder am Flügel spielte.
    Elisabetta. Er hatte Lust, sie wiederzusehen. Als er sich ein Sweatshirt über den Kopf zog, fiel sein Blick auf das Telefon, das auf der Erde stand. Die Erinnerung war wie ein Stich in der Brust. Es war Stunden her, dass er ihr gesagt hatte, er würde zu ihr kommen. Verdammt. Erst nach minutenlanger Suche fand er das zerknüllte Papiertaschentuch mit ihrer Nummer. Er ließ es über zwanzig Mal klingeln. Sie war nicht zu Hause.
    Aber irgendwann würde sie kommen. Er bräuchte nur zu ihr zu fahren, vor ihrer Tür zu sitzen und zu warten.
     
    Als er aus dem Haus trat, sah er ihr direkt in die Augen. Sie lächelte nicht, fühlte sich eher ertappt und fürchtete, er würde sich belagert und gestört fühlen. Sicher hatte er kein Interesse mehr an ihr, sonst wäre er gekommen.
    Aber er ging direkt auf sie zu,

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