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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Zeit! Ab ins Bett mit dir! Als ob ich eine Kinderschwester brauche!«
    »Ich hab dich vorher noch nie abgeholt«, bemerkte Sarah kleinlaut.
    »Nein! Aber du hast mich heute abgeholt, und das ist schlimm genug! Soll ich mich jetzt auch noch dafür bedanken, dass du nicht jede Nacht vor der Tür stehst?«
    »Es tut mir leid, Franky, ich wollte dich doch nur …«
    »Ach, Scheiße. Scheiß was drauf, was du alles wolltest.«
    Er stürmte zum Auto. Sie lief hinter ihm her wie ein Kind, das eine Strafpredigt erhalten hat und um Liebe und Vergebung bettelt.
    Franky ließ sie einsteigen und knallte die Autotür zu, dass der ganze Wagen wackelte und schepperte. Dann brauste er durch die Stadt wie ein Irrer. Beide schwiegen und sagten den ganzen Abend kein einziges Wort mehr.
    Warum er aus dem »Chapeau Claque« jeden Morgen erst gegen fünf nach Hause kam, stand nie mehr zur Diskussion.

10
    Ein eiskalter Luftzug fegte über Sarahs Gesicht. Sie war schlagartig wach. Im ersten Moment hatte sie Mühe, sich zu orientieren. Dann sah sie das sperrangelweit offene Fenster. Auf dem Fensterbrett stand Franky wie ein unwirklicher dunkler Berg. Er schwankte, offensichtlich war ihm nicht bewusst, wo er war. Sarah sprang vom Sofa, stürzte zum Fenster und umschlang ihn mit ihren Armen. Fall jetzt nicht, betete sie verzweifelt, fall jetzt bloß nicht, sonst reißt du uns beide mit in die Tiefe. Mit aller Kraft versuchte sie ihn ins Zimmer zu ziehen, wobei sie sich mit einem Bein abstützte und gegen die Heizung stemmte.
    Franky stand wie ein Fels. Unwillkürlich wehrte er sich dagegen, ins Zimmer gezogen zu werden. In ihrer Not biss Sarah ihn in den Oberschenkel. Franky erschrak, lockerte für den Bruchteil eines Augenblicks seinen Griff am Fensterrahmen und fiel zusammen mit Sarah zurück ins Zimmer.
    Sarah wurde schwarz vor Augen. In ihrem Bauch pochte ein dumpfer Schmerz.
    »Ruf die Feuerwehr!«, flüsterte sie. »Bring mich ins Krankenhaus. Schnell!«
    Franky schien langsam zu begreifen. Er starrte Sarah an, die auf der Erde lag, und versuchte sich daran zu erinnern,
wo das Telefon stand. Dann torkelte er durchs Zimmer und hielt sich an den Möbeln fest, um nicht umzufallen.
    »Gib mir das Telefon! Na los, mach schon!« Sarah war klar, dass Franky in seinem Zustand gar nicht in der Lage war zu telefonieren.
    Die Feuerwehr polterte fünfzehn Minuten später die Treppe herauf. Franky öffnete ihnen die Tür, er zitterte am ganzen Körper. Die Feuerwehrmänner trugen Sarah auf einer Trage die Treppe hinunter und baten Franky, ihnen zu folgen. Franky stolperte hinterher.
    »Ich habe das Gefühl, wir müssen uns um beide kümmern«, sagte einer der Feuerwehrmänner zu seinem Kollegen.
    Im Krankenhaus wurde Sarah ausgiebig untersucht, Franky lehnte jede Untersuchung oder Behandlung ab. Er saß still und blass auf dem Flur und wartete.
    »Ich kann Ihnen noch nicht sagen, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird«, meinte die Gynäkologin Stunden später zu Sarah. »Aber auf alle Fälle ist das Baby verdammt zäh. Es hat alles gut überstanden. Sie können wieder nach Hause, aber wenn die Blutungen nicht aufhören, sollten Sie weiterhin fest liegen. Melden Sie sich, wenn Sie wieder Schmerzen bekommen.«
    Es war bereits zehn Uhr morgens, als Sarah und Franky im Taxi zusammen nach Hause fuhren. Sarah legte sich sofort auf die Couch im Wohnzimmer, Franky ging noch einmal runter, um Brötchen zum Frühstück zu kaufen.
    Er hatte einen riesigen Rosenstrauß in der Hand, als er zurückkam.
    »Bist du verrückt?« Sarah rechnete im Geiste aus, was die Rosen gekostet haben mussten. Sie kannte die Preise nicht,
aber für das Geld konnte man sich sicher auch schon einige Gramm Cannabis kaufen.
    Sarah nahm ihn lange in den Arm und hatte nur den einen Wunsch, dass diese Versöhnung nie wieder in Vergessenheit geraten möge.
    Nach dem Frühstück verbrannte Franky feierlich das Cannabis, das er noch im Haus hatte, auf einem Teller. Sarah wollte ihm einfach glauben, dass er es wirklich ernst meinte und nicht noch mehr heimliche Depots besaß.
     
    Vier Wochen vor dem errechneten Geburtstermin wurden die Blutungen stärker, und Sarah musste ins Krankenhaus. Franky besuchte sie täglich und machte einen ziemlich ausgeglichenen Eindruck, aber seine Augenringe wurden von Tag zu Tag dunkler.
    Zwei Wochen später waren eines Morgens die Herztöne des Babys kaum noch zu hören, und die Ärzte entschlossen sich zu einem Kaiserschnitt. Die Hand des Anästhesisten

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