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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Herztabletten.
    »Was ist los, Papa?«, fragte Maria. »Hast du Herzprobleme, nur weil die Signora Simonetti ermordet worden ist?«
    Marcello nickte.
    Pia stutzte und überlegte einen Moment. Dann stand sie auf, ging zu Marcello, der ihr den Rücken zukehrte, und drehte ihn an der Schulter zu sich herum, sodass er gezwungen war, sie anzusehen. »Was ist los mit dir, Marcello? Du hast doch was?«
    Marcello schüttelte den Kopf, aber ihm war zum Heulen zumute. Einen Moment überlegte er, ob er vielleicht noch alles zum Guten wenden könnte, wenn er ihr jetzt alles haarklein und detailliert erzählen und seine Dummheit gestehen würde. Vielleicht glaubte sie ihm und hatte einen Rat. Gemeinsam wäre es leichter, der Polizei gegenüber zu schweigen. Noch war es nicht zu spät. Noch konnte er Pia zu seiner Komplizin machen und die Last auf seinen Schultern verringern.
    Aber Marcello sagte nichts, er hatte nicht den Mut und verzweifelte fast an seiner eigenen Feigheit, denn er spürte, dass er dabei war, dem Sog, der ihn unaufhaltsam in die Tiefe zog, nichts entgegensetzen zu können.
    »Lasst uns mal einen Augenblick allein«, sagte Pia zu
ihren Töchtern, und beide verließen stumm die Küche, obwohl sie zu gerne erfahren hätten, was mit ihrem Vater los war.
    »Verschweigst du mir etwas, Marcello? Gibt es irgendetwas von der Signora, das ich nicht weiß?« Marcello schüttelte weiterhin den Kopf. »Seit wann haben wir Geheimnisse voreinander?«
    »Es ist nichts, Pia, wirklich nicht. Ich habe keine Geheimnisse vor dir. Mir geht’s heute einfach nur nicht so gut. Schon heute Vormittag im Wald war mir die ganze Zeit schwindlig. Ich glaube, ich muss mich eine Weile hinlegen.«
    Nach diesen Worten ließ er Pia in der Küche zurück und ging ins Schlafzimmer, um sich ins Bett zu legen. Die Situation in der Küche war für ihn unerträglich geworden. Aber jetzt war es aus, jetzt gab es kein Zurück mehr, er hatte seine letzte Chance verspielt. Er wusste ganz genau, dass Pia ihm nicht glaubte. Sie war für Stimmungen äußerst sensibel. Er hatte noch nie gut lügen können, aber Pia zu belügen, war das Schwerste überhaupt. Jetzt musste er ganz allein weitermachen und versuchen, sich nichts anmerken zu lassen. Er konnte nur noch hoffen, dass er sich vielleicht zu viele Sorgen machte, immerhin gab es ja noch die Möglichkeit, dass niemals herauskam, was heute Morgen geschehen war.
    Während er sich auszog und ins Bett legte, versuchte er sich das immer wieder einzureden. Er hatte nichts verbrochen, er hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, er hatte Sarah nicht umgebracht, worüber regte er sich eigentlich so auf?
    Natürlich war es die Geschichte vor zweieinhalb Jahren,
die er mittlerweile so erfolgreich verdrängt hatte. Jetzt stand sie ihm wieder in aller Deutlichkeit vor Augen, und es war ihm auch bewusst, dass er deswegen heute Morgen die Flucht ergriffen hatte. Er wollte nicht mehr mit der Signora in Verbindung gebracht werden, und schon gar nicht in einer der intimsten Situationen überhaupt, beim Auffinden ihrer Leiche.
     
    Es war ein warmer Maiabend im Jahre 2002. Pia war längst zu Hause, und Marcello arbeitete noch im Büro, als das Telefon klingelte. »Hier ist Sarah Simonetti«, sagte die Signora mit sanfter Stimme. »Es tut mir furchtbar leid, dass ich störe, aber würde es Ihnen etwas ausmachen, zu mir in mein Haus zu kommen? Die Renovierung ist seit ein paar Tagen fertig, ich möchte das Haus versichern, aber es hat ja wenig Sinn, wenn ich zu Ihnen komme, dann wissen Sie nicht, wovon wir reden. Sie müssen es schließlich gesehen haben.«
    »Tja«, sagte Marcello, »grundsätzlich ist das natürlich möglich. Würde es Ihnen morgen gegen drei oder übermorgen um zehn passen?«
    »Weder noch«, sagte Sarah bestimmt. »Da kann ich nicht. Ich bin nur selten hier draußen, und ich bin sehr nervös, wenn das Haus nicht versichert ist. Falls Sie Interesse haben, müssten Sie schon sofort kommen.«
    »Sofort?«, fragte er ungläubig. »Es ist kurz vor neun!«
    »Sofort«, erwiderte Sarah knapp. »Es tut mir wirklich furchtbar leid.«
    »Okay, ich komme«, meinte Marcello kurz entschlossen, hatte aber ein unbehagliches Gefühl dabei. »Können Sie mir erklären, wie ich das Haus finde?«

    »Sicher.« Jetzt war ihre Stimme wieder so warm und sanft wie zuvor. »Haben Sie einen Jeep?«
    Marcello nickte ins Telefon.
    »Gut. Sie fahren bis Solata, durch den Ort hindurch und weiter Richtung Nusenna. Kurz vor dem

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