Hexenkind
der Mikrowelle erhitzen, wenn ihr euch verspätet. Aber ich möchte mit keiner Frau dieser Welt tauschen, weil keine so ein spannendes Leben hat wie ich.«
Mit beißendem Sarkasmus fing es immer an, dann wurde sie wütend und ab und zu sogar aggressiv. Neri kannte dieses Spiel. Daher hatte es überhaupt keinen Zweck, in einer derartigen Situation irgendetwas zu sagen.
Er wusch sich in der Spüle also schweigend die Hände und vermied es, seine Frau anzusehen, die mit verschränkten Armen und vorgeschobenen Hüften vor dem Fenster stand.
»Ciao, Bella«, sagte er leise und verließ die Küche.
Bereits auf dem Flur des Polizeipräsidiums hörte Neri den fürchterlichen Schluckauf seines Assistenten Tommaso Grotti, den er bei fast jeder Gefühlsregung bekam: Wenn er sich freute, sich schämte, sich aufregte, nicht mehr weiterwusste, wenn er log, wenn er sich bemühte, ein Geheimnis für sich zu behalten … Tommaso war durch seine Hickserei ein offenes Buch.
»Was ist passiert?«, fragte Neri statt einer Begrüßung, als er das Büro betrat.
»Die Ergebnisse aus der Pathologie sind gerade gekommen«, antwortete Tommaso und unterbrach diesen einfachen und relativ kurzen Satz durch zweimaliges Hicksen.
»Endlich!«, meinte Neri. »Lass hören.«
»Also erstens«, sagte Tommaso, »ist Signora Simonettis Hals mit einem langen stabilen Messer mit glatter Klinge durchtrennt worden. Wahrscheinlich ein großes Kochmesser, wie es in der Gastronomie, in jedem Restaurant und auch in vielen privaten Haushalten verwendet wird.«
»Mein Gott, Tommaso, das wissen wir seit einer Woche!«
»Ja, aber jetzt hat es die Pathologie bestätigt.« Tommaso hickste beleidigt.
»Aber das ganze Wissen nützt uns herzlich wenig, solange wir die Tatwaffe nicht gefunden haben«, brummte Neri.
»Und jetzt kommt der Hammer, Signor Neri.« Der Schluckauf kam in immer kürzeren Abständen.
»Mach’s nicht so spannend.«
»Die Signora Teresa Simonetti hat angerufen. Sie behauptete, das Messer in der Trattoria hinter der Geschirrspülmaschine gefunden zu haben und meinte, es sei da wohl hintergerutscht. Kollege Maroni ist gleich hingefahren und hat es geholt, und die Spurensicherung hat es untersucht.«
»Was denn, arbeiten die auch nachts?«
»Wenn es dringend ist, schon.«
»Donnerwetter«, meinte Neri anerkennend. »Und?«
»Es ist ein nagelneues Messer. Nur das Preisschild fehlt.« Tommaso grinste und vergaß einen Moment zu hicksen. »Es ist auf jeden Fall noch nie nachgeschliffen worden. Ziemlich ungewöhnlich für einen Kochbetrieb. Wahrscheinlich wurde es überhaupt noch nie benutzt.«
Neri sank auf seinen Schreibtischstuhl. »Ja ist denn diese Teresa von allen guten Geistern verlassen? Da geht die hin und kauft ein neues Messer. Was soll denn jetzt dieser Blödsinn?«
»Keine Ahnung, aber die Hellste ist sie sicher nicht.«
»Sie will ihrem Sohn helfen und reitet ihn dadurch nur immer tiefer in die Geschichte hinein. Im Grunde brauchen wir nur noch ein Motiv.«
»Und einen Beweis. Das wäre nicht schlecht.«
»Ja«, knurrte Neri. »Noch was aus der Pathologie?«
Tommaso guckte auf den Bericht. »Der Schnitt ist am Hals von links nach rechts, also quasi vom linken Ohr zum
rechten Ohr ausgeführt worden. Der Täter kann sowohl links als auch rechts vom Opfer gestanden haben, es ist aber auch möglich, dass das Opfer gestanden oder auf dem Bett gesessen hat, dann kann er die Kehle sowohl von vorn als auch von hinten durchschnitten haben, und er könnte sowohl Rechts-, als auch Linkshänder sein.«
»Phantastisch. Also ist alles möglich.«
»Ja. Alles ist möglich«, bestätigte Tommaso.
»Dann hilft es uns auch nicht weiter.«
»Das Opfer hat sich nicht gewehrt«, fuhr Tommaso fort. »Es sind keinerlei Kampfspuren gefunden worden. Weder unter den Fingernägeln noch sonst wo.«
»Das spricht dafür, dass Sarah den Täter gekannt hat. Und das wiederum spricht dafür, dass es Romano war.« Neri malte Katzenköpfe mit überlangen Schnurrhaaren auf ein weißes Blatt Papier. »Die Theorie vom armen Irren, der in den Wäldern herumstrolchte, zufällig diesem Haus und der einsamen Signora begegnete und urplötzlich die Idee hatte, ihr die Kehle durchzuschneiden, können wir völlig vergessen.«
»Und außerdem«, fuhr Tommaso fort, »sind Spermaspuren gefunden worden. Sie hatte in den letzten zwölf Stunden vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr.«
»Lass mich raten. Mit Romano?«
»Genau.« Tommaso grinste.
»Aha«, meinte
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