Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
verändern. Da aber der Mensch seit jeher findig ist, wissen wir heute, welche zusätzlichen Mittel, meist Mineralsalze, diese und jene Veränderung verhindern und sogar bestimmten Farben eine höhere Leuchtkraft verleihen, und diese alchimistischen Hilfsmittel werden dann in genauer Dosierung der Mixtur beigefügt und ordentlich untergerührt.
So viel zu Faktor eins und zwei und nun einige Worte zum zustande Bringen der Verbindungen. Wie uns Nicola aufgeklärt hat, muss die Rohfarbe mit einer geeigneten Masse vermischt werden, wodurch Temperafarbe entsteht. Auch wissen wir jetzt, dass sich Farbe und Masse sympathisch sein müssen, um sich vereinen zu können, also bereiten wir diese Masse jetzt zu. Vorab gedanklich und anschließend praktisch. - Ihr seht mich so verständnislos an?"
Sie blickten tatsächlich verständnislos, doch gleichzeitig wie folgsame Klosterschüler.
"Si", sagte Lucia ihnen, "gleich gibt es hier handkräftig zu tun für euch, schließlich will ich nicht Gefahr laufen, dass ihr meine Erläuterungen als Unsinn abtut, ich will euch überzeugen.
Nun, bei den erwähnten Massen sind die gebräuchlichsten Verbindungen: Eier mit einer Harzlösung oder das etwas stinkige Kasein mit Öl oder, was reichlich teuer ist, Gummi arabicum mit Leinölfirnis. Also immer eine wasserlösliche Substanz, die mittels einer fetten geschmeidig wird, sofern, si, und darauf kommt es bei dem dritten Faktor an, sofern es einem gelingt, diese beiden Substanzen durch richtiges Verrühren miteinander zu verbinden. Das allerdings ist nicht leicht, es erfordert Hingabe und Fingerspitzengefühl. Aber es ist unerlässlich, eine geschmeidige, möglichst seidenweiche Mixtur zu erzielen, die nicht zu dick und nicht zu dünn sein darf, denn anschließend betten wir ja die Rohfarbe hinein, die sich darin wohl fühlen soll, auf dass sie aufblüht und letztendlich unseren Gemälden die erwünschte Leuchtkraft verleiht. Diese Mixtur werden wir jetzt erzeugen, jeder seine eigene. Auf dem Regal hinter euch habe ich dazu jedem eine Schüssel mit hölzernem Schaufellöffel zurechtgestellt, und in jeder Schüssel findet ihr eine Dose Kasein sowie eine kleinere mit Mohnöl. Außerdem liegt die Rohfarbe darin, wobei ich sechs verschiedene Farben gewählt habe, und schließlich entdeckt ihr darin noch ein winziges Tütchen des jeweils dazugehörenden Mineralsalzes. - Prego", sie wies zu dem Regal, "sucht euch jeder eine Schüssel aus und nehmt anschließend wieder Platz."
Ebenso wie sie Lucia die ganze Zeit über angeschaut hatten, brav wie Klosterschüler, so gehorchten sie auch jetzt. Fast belustigend für Lucia, doch die Erleichterung, den ersten Teil ihres ersten Unterrichts ohne Einwände der Künstler hinter sich gebracht zu haben, überwog. Nun kam es noch auf das praktische Experiment an, das sich bedeutend länger hinziehen wird als ihre Erklärungen.
Wie ihre Schüler dann alle wieder im Halbkreis vor ihr saßen, bat sie sie, ihre weißen Schüsseln auszuräumen und alles vor ihren Füßen aufzubauen, bis auf den Holzlöffel, und als sie dies befolgt hatten, fragte Lucia Giovanni, was man als erstes einfülle.
"Das Stinkzeug und das Mohnöl", antwortete er, was Lucia verneinen musste und sich mit dieser Frage an Bernardino wandte.
Der wusste es genauer: "Erst das stinkige Kasein, dann unter ständigem Rühren das Mohnöl dazu."
Lucia bejahte und wollte anschließend von Leonardo erfahren, wie schnell oder langsam man das Öl hinzufüge. Ganz langsam und mit Gefühl, war seine richtige Antwort, da jedoch langsam ein dehnbarer Begriff ist, bat Lucia ihn, sich präziser auszudrücken.
"Tropfenweise", entgegnete er, was wiederum übertrieben war, weil Lucia ihn aber vor den anderen nicht berichtigen mochte, stimmte sie bedingt zu:
"Si, man fängt mit wenigen Tropfen an und fügt dann langsam mehr und immer mehr hinzu. Klemmt jetzt eure Schüssel zwischen die Oberschenkel, damit sich eure Körpertemperatur auf die Mixtur überträgt, und dann schaut auf meinen Arm, wie man rührt."
Sie führte es ihnen vor - mehrere mittelschnelle Rechtsdrehungen, dann eine Schleife, danach Linksdrehungen, Schleife und wieder rechtsherum, "stets im Wechsel und im gleichmäßigen Rhythmus, und bei jeder Schleife mit der freien Hand etwas Öl zufügen. Alles klar? Noch Fragen dazu?"
"Si", meldete sich Carlo. "Wie lange muss man rühren?"
"Zunächst eine halbe Stunde, dann werden das Mineralsalz und die Farbe untergemischt und danach nochmal so lang."
Lucia
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