Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
lag so weit hinter ihr, dass sie es fast vergessen hatte.
Plötzlich platzte über diese Situation hell ihr unterdrücktes Lachen heraus, worüber sich Alphonse erschreckte: "Was - was hast du?"
"Eija . .", sie schluckte kräftig, "es ist nur . ."
"Du freust dich, oui?", kam er ihr unbeabsichtigt zur Hilfe, was sie mit beherrschter Stimme nutzte:
"Richtig, ich freue mich. Aber sag selbst, war dieser Advokat nicht zum Prusten komisch?"
"Wieso? Ich kann dir nicht folgen, er hat doch alles korrekt durchgeführt."
"Sehr korrekt", stimmte sie ihm belustigt zu. Doch um ihm nicht zu nahe zu treten, kehrte sie nun die Jungfer heraus, indem sie behauptete: "Ich hatte mir das halt etwas, ja, etwas feierlicher vorgestellt. Immerhin bin ich mit diesem Akt ein Fräulein geworden, eine echte Adelige."
"Oui, ah oui", vermeinte er nun, sie zu verstehen, "das hätte in der Tat feierlicher gestaltet werden sollen. Aber das holen wir jetzt nach, mein Mädchen Ich lass dir einen Wein und mir, weil ich nachher noch die Rösser gerade lenken will, einen Saft servieren, und dann stoßen wir auf dieses Ereignis an."
Sie ging auf seinen Ton ein: "Wie schön, ja. Aber vorher ziehe ich mich um, ist dir das recht?"
"Oui. Ich sehe, du denkst mit, das Hotelpersonal würde sonst auf dumme Gedanken kommen."
"Eben."
Während Lucia dann in der Schlafstube ihre Damenkleidung ablegte, dachte sie daran, wie oft sie sich in den letzten Monden gewünscht hatte, nur einmal kurz wieder Jungfer sein zu können. Eben hatte sich dieser Wunsch erfüllt, und sie konnte über diese weiblichen und männlichen Rollenspiele nur lachen. Wie sie nun so hingebungsvoll ihre elegante Garderobe wieder zurück in die aus Weidengeflecht bestehende Truhe bettete, fiel ihr auf, dass sich Frauen in puncto Mode ebenso lächerlich aufführten wie vorhin die beiden Rechtsgelehrten bei ihrer Amtshandlung.
Wieder als Lukas hergerichtet, stieß sie wenig später mit Alphonse auf die Adoption an, wobei sie es nicht verwunderte, dass er sie nun wieder respektvoller behandelte. War sie eben noch ein Mädchen für ihn gewesen, so war sie, die gleiche Person, jetzt keineswegs ein Bübchen für ihn, sondern ein jungen Mann. Verrücktes Rollenspiel.
Doch sie ließ sich ihre Belustigung darüber nicht anmerken, zumal Alphonse ihr feierliches Beieinander ja eigens für sie arrangiert hatte. Alphonse selbst aber fühlte sich unter Zeitdruck, was immer deutlicher wurde. Deshalb erlöste Lucia ihn jetzt aus seiner Zwangssituation: "Hast wieder einen langen Weg vor dir. Wirst du ihn per Kutsche zurücklegen?"
"Non, das ging nicht schnell genug", erklärte er nervös. "Ich bringe die Kutsche mit deiner Garderobe zu Donna Angelina, und von da geht's dann sofort per Pferd weiter. Nur so kann ich die Urkunde in Meran rechtzeitig vorlegen." Er erhob sich: "Ich muss aufbrechen."
Unten vor dem Gasthof trug Lucia Alphonse Grüße an ihre Mutter auf und bedankte sich für all die Mühe, die er ihretwegen auf sich lud. Doch er nahm ihre Worte nur mit halbem Ohr auf, und kaum hatten sie sich verabschiedet, saß er auch schon auf dem Kutschbock und gab den Rössern die Peitsche.
Lucia blickte ihm nach, bis sie ihn aus dem Auge verlor.
Unschlüssig blieb sie dann stehen. Ein Stallbursche kam mit ihrem gesattelten Oskar auf sie zu, doch sie mochte noch nicht zur Bottega reiten, zumal heute Morgen die Künstler aus ihren Osterferien zurückgekehrt sein mussten und nun reichlich zu erzählen hätten. Danach stand ihr noch nicht der Sinn, sie musste erst Abstand von dem soeben Erlebten gewinnen. Nun trat die Wirtin zu ihr und erkundigte sich, ob sie heute Mittag hier zu speisen gedenke.
"Si, gute Idee", sagte sie zu, "wann wird serviert?"
"Keine Eile, Don de Belleville, einen kleinen Spazierritt könnt Ihr bis dahin noch unternehmen. Ich lass Euch einen Tisch reservieren."
"Grazie."
Darauf stieg sie in den Sattel und begab sich auf den vorgeschlagenen Spazierritt, trotzdem es leicht zu regnen begann.
Dem Lenzingmond schien es heute besonderen Spaß zu bereiten, sein wetterwendisches Gesicht vorzuführen, denn kaum hatte sich Lucia ein Stück vom Gasthof entfernt und das verwinkelte Krämerviertel erreicht, blinkten schon wieder Sonnenstrahlen durch die Wolken und ließen die letzten noch fallenden Tropfen in allen Farben erglänzen. Ein heiteres Naturspiel, das zu den lebensfreudigen Italienern, zwischen denen sie einher ritt, passte. Frauen eilten mit vollen Einkaufskörben nach Hause, um noch rechtzeitig das
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