Hexenkuss
wahrscheinlich schnell einkaufen, solange sie in ihrem Kurs ist. Wenn ich schon einmal unterwegs bin...« Marie-Claires Wangen röteten sich. »Brauchst du etwas?«
»Nein.« Amanda sah Holly an. »Du vielleicht?«
»Unsinn, sie ist doch eben erst angekommen.« Marie-Claires Lachen klang falsch. Sie tupfte an ihrem Mundwinkel herum, als wollte sie ihren Lippenstift korrigieren, und sagte dann: »Ihr kommt doch zurecht, bis ich wieder da bin?«
»Sogar, wenn du wieder da bist«, erwiderte Amanda scharf. Holly war nicht ganz sicher, ob das scherzhaft gemeint war, doch Marie-Claire wirkte ein wenig verletzt.
»Also dann.« Ihr Blick schweifte durch den Raum und blieb an der roten Rose hängen. »Wie nett, dass du sie da hingestellt hast, Amanda. Das war lieb von dir.« Sie schloss die Tür hinter sich.
Amanda schaute ihr stirnrunzelnd nach. »Was wo hingestellt? Ich habe keine Ahnung, wovon sie spricht.«
»Äh, ich glaube, sie meint die Rose«, sagte Holly vorsichtig. »Auf dem Nachttisch.«
Das andere Mädchen zuckte mit den Schultern. »Das war ich nicht, Holly. Wahrscheinlich ist sie von meinem Vater.« Ihre Miene wurde weich. »So ist er eben. Sehr aufmerksam.«
Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Dann fragte Holly: »Nicole besucht also eine Schauspielschule?«
»Das ist ein Ferienkurs. Von der Theatergruppe an der Schule«, sagte Amanda wegwerfend und zupfte wieder an dem Kissen herum, während sie sich um einen beiläufigen Tonfall bemühte. »Meine Schwester ist Schauspielerin. Meine Mom fand Theaterspielen auch ganz toll, als sie in unserem Alter war. Also ...«
Holly dachte darüber nach, und ihr dämmerte etwas. Nicole ist der Liebling ihrer Mutter, und Amanda weiß das. Als Einzelkind hatte Holly die Aufmerksamkeit ihrer Eltern nie mit jemandem teilen müssen. Aber wenn man der Schwester in vielen Dingen glich, und die trotzdem bevorzugt wurde, musste das sehr wehtun.
Vorsichtig sagte sie: »Es ist bestimmt komisch, ein Zwilling zu sein.«
Amanda sah sie an, ohne zu blinzeln, und entgegnete: »Es ist komisch, Nicole Andersons Zwilling zu sein, so viel ist sicher.« Sie streckte die Schultern und legte das Kissen beiseite. »Möchtest du irgendetwas unternehmen, dir die Stadt ansehen? Mein Vater würde uns sicher gern herumfahren.«
Holly gähnte. »Wenn ich ehrlich sein soll, würde ich mich am liebsten ein bisschen hinlegen. Ich bin so müde.«
»Du hast viel durchgemacht.« Amanda stand vom Sessel auf. »Es ist schön, dass du jetzt da bist.« Ihre Stimme klang weich und sehnsüchtig.
Sie war sehr einsam, erkannte Holly. Ich schätze, Nicole verbringt nicht allzu viel Zeit mit ihr.
»Dann lasse ich dich mal in Ruhe. Damit du ausspannen und dich an... alles gewöhnen kannst.« Amanda lächelte ihr unsicher zu und ging zur Tür.
Holly schmiegte die Wange an Basts Fell und sagte: »Vielen Dank für die Katze. Sie ist wirklich süß.« Sie lachte leise, als das Tierchen versuchte, ihr mit der Pfote auf die Nase zu schlagen. »Sie ist so kuschelig. Wie ein Stofftier.«
Amanda lächelte herzlich. »Ich sage meinem Dad, dass er die Koffer draußen in den Flur stellen soll, damit er dich nicht weckt.« Sie wandte sich zum Gehen und drehte sich dann noch einmal um. »Ich hoffe, es gefällt dir hier, Holly.«
»Das wird es, bestimmt«, entgegnete Holly aufrichtig, obwohl sie zu gern in ihr richtiges Zuhause gegangen und dort in ihr eigenes Bett gekrochen wäre. Dann fragte sie spontan: »Hat es in letzter Zeit gebrannt?«
Amanda sah sie verwirrt an. »Das Kaminfeuer, meinst du?«
Holly schüttelte den Kopf. »Nein, ich meine, ob irgendetwas in Brand geraten ist. Es riecht hier so nach Rauch.«
»Ich rieche nichts«, erklärte Amanda und schnupperte wie zum Beweis. »Bei uns hat es nicht gebrannt. Na ja, außer gestern Abend das Kaminfeuer.«
Holly zuckte mit den Schultern. »Vielleicht rieche ich etwas anderes. Ich habe ein neues Parfüm, daran könnte es liegen.«
Amanda überlegte, dann hellte sich ihre Miene auf. »Dad hat gestern Abend gekocht. Er kocht nicht besonders gut. Um ehrlich zu sein, löst er dabei meistens den Rauchmelder aus.« Sie kicherte. »Ich wette, das ist es.«
»Klingt logisch«, stimmte Holly zu, obwohl sie nicht überzeugt war. Der Geruch war so stark, dass ihr schleierhaft war, wie Amanda ihn nicht wahrnehmen konnte. Ich glaube ja nicht, dass sie lügt. Es ist nur so merkwürdig.
»Mom erweist uns heute Abend die Ehre, deinetwegen«, fuhr Amanda fort.
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