Hexenmacht
fühlte seine Hände an meinen Schultern und ließ diese Berührung widerspruchslos zu.
Ja, sie machte mir im Grunde klar, wie vertraut wir noch immer miteinander waren.
"Die Zeit war so kurz", meinte er. "Die Tage von Tanger waren so schnell vorbei. Wir hatten gar nicht die Chance, uns wirklich kennenzulernen."
"Das ist wahr!", gab ich fast flüsternd zu.
"Und das bedaure ich!"
"Ich auch."
Er gab mir einen flüchtigen Kuss, der mein Herz wie wild klopfen ließ. Er lächelte mich liebevoll an.
Und ich schaute mich etwas ängstlich um.
"Hast du Angst, dass deine Kollegen..."
"Es wird schon genug getratscht", erwiderte ich und entwand mich seinen Armen. Dann sah ich ihn an, und unsere Blicke verschmolzen für einen Moment miteinander.
Ich musste unwillkürlich schlucken. In mir herrschte ein einziges Chaos widerstreitender Gefühle. Ein wildes Durcheinander, das allein die Anwesenheit dieses Mannes ausgelöst hatte.
Er lehnte sich mit der Hüfte an meinen Schreibtisch. Seine Hände verschwanden wieder in den Jackentaschen.
"Du hast recht", sagte er dann. "Ich bin nicht nur deinetwegen hier - obwohl das eigentlich schon Grund genug wäre..."
"Was ist es dann?"
"Unser gemeinsamer Freund..."
"Dr. Skull!"
Es war keine Frage gewesen, was da ohne eine Sekunde zu zögern über meine Lippen gekommen war, sondern eine Feststellung.
Und dann war da ja noch der Traum, den ich gehabt hatte...
"Erraten", sagte Steve. "Ich habe Hinweise darauf, dass er sich irgendwo im Vereinigten Königreich aufhält. Er soll in Schottland aufgetaucht sein... Meine Informanten sind allerdings nicht daran interessiert, sich selbst an die Polizei zu wenden, da sie mit dieser ein nicht grade freundschaftliches Verhältnis pflegen..."
"Ich verstehe..."
Er grinste.
"Du wirst verstehen, dass ich noch nicht alle meine Karten ausspielen kann..."
"Sicher!"
"Aber vielleicht können wir uns ja mit deinem Chefredakteur zusammensetzen."
Ich hob die Augenbrauen und sah ihn an. "Damit wieder ein Exklusiv-Vertrag mit dem News für dich herausspringt, was diese Story angeht?"
"War unsere Zusammenarbeit denn so schlecht?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein", sagte ich, "keineswegs..."
*
Michael T. Swann hatte als Chefredakteur das Privileg, ein eigenes, abgetrenntes Büro zu besitzen.
Er tauchte hinter seinem völlig überladenen Schreibtisch hervor, auf dem Stapel von Manuskripten wackelige Türme bildeten. Swann war untersetzt und sein Gesicht leicht gerötet. Er war ein Workoholic, für den der News an erster Stelle stand. Diese Zeitung ganz oben zu halten, das war sein wichtigstes Ziel, der alles andere in seinem Leben unterordnete. Er war der erste, der Morgens die Redaktionsräume betrat und oft genug war auch abends der letzte, der das Verlagsgebäude verließ. Er hatte eine mitunter etwas bärbeißige, unwirsche Art. Aber sein Zorn war nie persönlich, auch wenn man am Anfang in dieser Beziehung auf andere Gedanken kommen konnte. Letztlich verlangte er von seinen Leuten nur das, was er auch sich selbst abverlangte: Vollen Einsatz und sorgfältige Arbeit. Schlecht recherchierte Berichte waren etwas, was ihn geradezu zur Weißglut bringen konnte.
Anfangs hatte er mir sehr skeptisch gegenübergestanden - so wie allen, die von der Universität kamen, anstatt ihren Job "von der Pieke auf" gelernt zu haben, wie er sich auszudrücken pflegte.
Aber inzwischen hatte ich mich in seiner Gunst erheblich nach oben gekämpft.
Er respektierte meine Arbeit und wusste sie zu schätzen.
Swann begrüßte Steve knapp und krempelte sich dann die Ärmel seines weißen Hemdes hoch.
Ich sagte ihm in knappen Worten, worum es ging. Ich wusste, dass Swann nicht viel Zeit hatte, weswegen ich mich auch so kurz wie möglich fasste.
Swann hörte zu.
Aber schon nach den ersten zwei Worten, die mir über die Lippen gingen, hatte ich ein schlechtes Gefühl. Ich kannte ihn inzwischen eben ganz gut.
"Aus der Sache wird nichts", sagte er schließlich, wobei er höflicherweise wartete, bis ich geendet hatte.
"Und wieso nicht? Mr. Swann, wenn Dr. Skull wirklich..."
"Patricia! Jede Woche glaubt irgendwo jemand auf der Welt, Dr. Skull gesehen zu haben. Mal ganz abgesehen von denen, die bei der Polizei anrufen und von sich behaupten, Dr. Skull zu sein!"
"Was ich habe, sind wirklich ernstzunehmende Hinweise!", erklärte Steve Davis dann.
"Ich fürchte, es wird nicht viel dabei herauskommen - so wie bei ihrem Ausflug nach Tanger."
Ich atmete tief durch
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