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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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verloren
gegangen.
    In diesem Haus.
    Durch dessen frühere Bewohnerin.
    Fast war es wie ein Hohn, dass nun in diese Mauern die
religiösen Gegenstände eingezogen waren, die Lydia Vonnegut
so gehasst hatte.
    Hexe.
    Hexe, hatte sie sich selbst genannt. Ohne je magische Taten
ausgeführt zu haben, denn dazu hätte sie an deren
Wirksamkeit glauben müssen. Wer nicht an Gott glaubt, glaubt
auch nicht an den Teufel, hatte sie gesagt. Es sei denn, man braucht
nicht an den Teufel zu glauben, weil man selbst der Teufel ist.
    Ihr hartes Lachen schien in diesem Raum zu hängen – in
diesem Raum, in dem er sie zum ersten Mal gesehen hatte, noch bevor
sie vollkommen bettlägerig geworden war.
    »I did it my way«, sang Frank Sinatra gerade. Welcher
Weg ist der richtige? Er setzte sich wieder in seinen grünen
englischen Ohrensessel und versuchte sich bei der Musik zu
entspannen. Es gelang ihm nicht. Immer wieder kehrten seine Gedanken
zu dem Ehepaar Meisen zurück. Was hatten sie wirklich erlebt?
Was waren das für Zeichen auf dem Steinboden gewesen? Es ist
nicht mehr deine Angelegenheit, dachte er. Du hast die beiden im
Krankenhaus abgeliefert und kannst nichts mehr für sie tun.
Nicht für ihre Gesundheit, nicht für ihre Seelen.
    Das Haus knarrte und knisterte verstohlen. Arved spürte einen
kalten Luftzug um die Füße. Wie Geisterkatzen. Er schaute
hinunter. Waren da nicht huschende Schatten? Die Musik hörte
auf, die CD war durchgelaufen. Die einsetzende Stille war wie ein
Hammerschlag. Auch das Knirschen hatte aufgehört. Nur der kalte
Luftzug war geblieben. Arved stand auf und ging nach oben in sein
Schlafzimmer. Auf dem Weg ließ er alle Lichter brennen. Als er
im Bett lag, glaubte er etwas in seinem Zimmer huschen zu hören.
Bei dem Gedanken, er könnte die Katzen hier eingesperrt haben
und müsste die Nacht zusammen mit ihnen verbringen, wurde ihm
übel. Er stand auf und suchte in allen Winkeln nach. Er fand
nichts.
    Am Morgen erwachte er übermüdet und gerädert. Er
hatte unruhig geschlafen und einen Albtraum nach dem anderen gehabt.
Er hatte wieder vor der bischöflichen Kommission gestanden.
»Warum glauben Sie nicht mehr an den Teufel?«, wurde er von
einem glatzköpfigen, hoch aufgeschossenen Mann in einem weiten
schwarzen Umhang gefragt, der nur entfernt an ein Mönchshabit
erinnerte. »Er existiert nicht, weil Gott nicht existiert«,
hatte Arved im Traum geantwortet. Die fünf Mitglieder der
bischöflichen Kommission lachten laut auf, rissen sich die
Gesichter vom Schädel und entblößten ihre wahren
Fratzen. Teufel allesamt. Sie stürzten sich auf Arved, der
schreiend erwachte.
    Der nächste Traum hatte ihn zurückgeführt in das
kleine, verfallene Haus mitten im Wald oberhalb von Eisenschmitt. Nun
war er allein dort. Er sah die Zeichen auf dem Boden und auch den
seltsamen Rebstock. Eine Eule flatterte durch das abgedeckte Dach und
setzte sich neben dem Rebstock auf den Boden. »Wenn du davon
isst, wirst du wissen«, sagte sie. »Was werde ich
wissen?«, fragte Arved. »Alles, was du nicht wissen
willst«, antwortete die Eule und sah ihn mit ihren großen
gelben Augen eindringlich an. »Warum soll ich dann davon
essen?«
    »Weil das, was man nicht wissen will, das einzig Wahre
ist.« Und er aß von den Trauben. Gleichzeitig stieg ihm
ein süßlicher Verwesungsgeruch in die Nase. Er sah
Jürgen Meisen vor sich in der Hütte stehen: aufgedunsen,
fleckig wie eine Wasserleiche und irgendwie durchscheinend.
»Willkommen«, sagte er – und löste sich in der
Luft auf. Wieder war Arved erwacht. Er war aufgestanden und hatte
versucht, Halt in seinem Brevier zu finden – ohne Erfolg.
    Als er sich am frühen Morgen vor dem geschwungenen Spiegel im
Badezimmer rasierte, erschrak er über die dunklen Ringe unter
seinen Augen. Außerdem war er so grau wie eine Betonwand. Mit
raspelndem Geräusch fielen die spärlichen Barthaare ab. Er
wusch sich das Gesicht, legte ein Aftershave auf und drehte sich
langsam um.
    Da saßen sie. Lilith und Salomé.
    Die Badezimmertür war verschlossen. Sie mussten die ganze
Nacht in dem Bad verbracht haben. Wie Totenwächter hockten sie
nebeneinander auf den dunkelbraunen Fliesen und schauten ihn an. Sie
regten sich nicht, sondern fixierten ihn nur mit ihren grünen
Augen. Er machte vorsichtig einen Schritt auf sie zu, denn die
Tür befand sich hinter ihnen. Sie wichen nicht. Er streckte die
Hand aus, griff über sie hinweg und öffnete die Tür.
Sofort liefen sie in sein Schlafzimmer. Er

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