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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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versucht, sie anzurufen, doch es
war nur ihr Anrufbeantworter angesprungen. Er hatte seinen Namen und
seine Telefonnummer auf das Band gesprochen, aber sie hatte nicht
zurückgerufen. Also wollte sie seine Hilfe offenbar nicht.
    Nun war der Sarg hinabgelassen. Wie eine Schlafwandlerin trat
Magdalena Meisen vor und streckte die Hand nach der Schaufel mit Erde
aus, die der Friedhofsangestellte ihr entgegenhielt. Es standen nur
drei Kränze neben dem offenen Grab. Magdalena Meisen warf einen
Blick auf sie, während sie die Hand in der Schwebe hielt. Ein
letzter Gruß - Deine Kollegen, war auf der einen
Schleife zu lesen. Sie hing an einem Kranz mit schon halb
verblühten Nelken. An einem anderen, der ebenfalls aus Nelken
bestand, wenn auch aus etwas frischeren, hing eine Schleife mit der
Aufschrift Ein stiller Gruß – Johanna. Das war wohl
Magdalenas Freundin. Sie selbst hatte einen Kranz aus feuerroten
Rosen gewählt. In ewiger Liebe – Deine Madalena. Arved musste zweimal hinschauen, aber es blieb dabei. Deine
Madalena. Ein Fehler; es hätte Magdalena heißen
müssen. Die junge Witwe schien es ebenfalls gerade zu bemerken.
Tränen traten ihr in die Augen. Sie wollte etwas sagen, brachte
aber keinen Ton heraus. Stattdessen griff sie nach der kleinen
Schaufel mit Erde – und ließ sie ins Grab fallen. Sie
schaute verständnislos auf ihre Hand.
    Auch Arved hatte gesehen, wie sie zugepackt hatte, wie sich ihre
Finger um den Stiel der kleinen Schaufel geschlossen hatten –
und wie sie ins Leere gegriffen hatten. Für einen Augenblick
hatte es den Anschein, als sei Magdalena Meisen kein
dreidimensionales Wesen mehr, sondern eine doppelt belichtete
Fotografie. Die Schaufel hatte sich durch ihre geschlossenen Finger
abgezeichnet, als sei sie wirklicher als die Hand, die sie zu halten
versuchte.
    Keiner der anderen Trauernden schien es bemerkt zu haben. Frau
Meisen wurde rot und schaute den Friedhofsangestellten entschuldigend
an. Er schenkte ihr ein verschämtes Lächeln und holte wie
aus dem Nichts eine zweite Schaufel hervor. Sie zögerte zuerst,
doch schließlich packte sie zu. Die Schaufel zitterte ein
wenig, aber dann schwebte sie in der Luft. Die Erde regnete auf den
Sarg herab; es klang schrecklich hohl.
    Auch die übrigen Trauernden warfen Erde auf den Sarg. Dann
zerstreuten sie sich. Magdalena Meisens Freundin schien noch einen
wichtigen Termin zu haben und schließlich waren nur die junge
Frau und Arved übrig. Er bot ihr den Arm und jetzt schien sie
ihn zum ersten Mal wahrzunehmen. Sie brachte kein Lächeln mehr
zustande, sondern nickte ihm nur noch zu.
    Sicherlich hatte sie nirgendwo einen Leichenschmaus bestellt; also
fragte er sie, ob er sie zu sich nach Hause einladen dürfe.
    »Ja«, hauchte sie.
    Schweigend fuhren sie in die Palmatiusstraße. Frau Meisen
war erstaunt, als sie sah, was das für ein Haus war, vor dem
Arved hielt. »Fühlen Sie sich nicht einsam in einem solchen
Kasten?«, fragte sie.
    »Es ist gewöhnungsbedürftig«, gab er zu,
während er ausstieg, um das Garagentor zu öffnen.
    Drinnen vertrieb auch das Licht der grünen Jugendstillampe
nicht die Schatten, die zäh in den Ecken und vor den
efeubewachsenen Fenstern klebten.
    »Mögen Sie Katzen?«, fragte Arved vorsichtig.
    Frau Meisen nickte schwach. Dann sah sie die Tiere.
    Arved war erstaunt, dass sie kamen. Sie strichen der jungen Frau
um die Beine und sahen sie mit grünen Augen an.
    Frau Meisen stand stocksteif da. Sie schaute auf die Tiere
hinunter und verzog die Mundwinkel. »Die mag ich nicht so
gern«, sagte sie leise, während Arved sie in das Wohnzimmer
geleitete. Sie schaute sich um. »Was ist das?«, fragte sie
und deutete auf die Reliquiare. Sie schien vergessen zu haben, dass
Arved einmal Pfarrer gewesen und immer noch Priester war. Arved
erklärte es ihr. Es behagte ihm nicht, schon wieder vom Tod
reden zu müssen. Magdalena Meisen ließ sich schwer in das
englische Stoffsofa fallen. Sie sah müde und verhärmt aus.
Er setzte sich in einen der Sessel vor sie.
    »Darf ich Ihnen etwas anbieten?«, fragte Arved.
»Vielleicht ein Glas Wein?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es genügt, wenn ich ein
wenig hier sitzen darf. In meiner Wohnung ist es schrecklich. Alles
erinnert an Jürgen. Ich kann einfach nicht glauben, dass er
nicht mehr da ist.« Sie verstummte und weinte still. Arved war
versucht, sich neben sie zu setzen und den Arm um sie zu legen, aber
er traute sich nicht. Dafür kamen Lilith und Salomé und
sprangen auf

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