Hexennacht
Er parkte den großen Wagen
vorsichtig ein, stieg rasch aus und lief auf das ein wenig
verwahrlost wirkende Haus zu. Als er schellen wollte, öffnete
sich die Tür bereits.
»Ich habe gesehen, wie Sie gegenüber geparkt
haben«, sagte Lioba Heiligmann amüsiert. »Gar nicht so
leicht mit einem so dicken, protzigen Wagen, was?«
Bevor Arved etwas entgegnen wollte, war sie schon wieder im
Inneren des Hauses verschwunden. Er folgte ihren polternden Schritten
und schloss die Haustür leise hinter sich.
Arved sah den Sessel in der Bibliothek schon fast als den seinen
an. Auf dem Tischchen standen die obligatorische Hasche Wein und zwei
Gläser, beide voll. »Erwarten Sie Besuch?«, fragte
Arved ein wenig enttäuscht.
»Nur Sie«, antwortete Lioba und setze sich.
»Wieso…« Weiter kam er nicht.
»Setzen Sie sich doch erst einmal.«
Arved gehorchte wie ein Schuljunge. Dieser Frau gegenüber
fühlte er sich unsicherer als vor den Satanisten, die einer
gewissen Lächerlichkeit nicht entbehrt hatten. Lioba war
seltsam, aber liebenswert und zugleich Respekt
einflößend.
»Jochen Martin hat mich angerufen und von seinen Recherchen
erzählt. Ich nehme an, Sie haben die Internet-Adresse inzwischen
ausprobiert.« Sie sah Arved mit einem mehr als nur fragenden
Blick an. Sie wirkte, als hätte sie ihm die Informationen am
liebsten sofort aus dem Gehirn gesaugt.
Arved erzählte ihr, was gestern Nacht geschehen war. Sie
hörte interessiert zu und meinte, als er geendet hatte:
»Dieses Zeichen auf Ihrer Haut würde ich gern einmal
sehen.«
Arved war es peinlich. Um nichts in der Welt wollte er sich vor
dieser Frau entkleiden. Was ihm gestern Nacht in der Kirche gar nicht
so schwer gefallen war, stellte nun ein Ding der Unmöglichkeit
dar.
»Na egal, vielleicht ergibt sich ja noch mal die
Gelegenheit«, sagte sie, als er sich zierte, und prostete ihm
zu.
Er erhob das Glas und nahm einen Schluck. Der samtige, schwere,
süße Weißwein rann ihm wohltuend die Kehle
hinunter.
»Zeller Schwarze Katz; eine Auslese«,
erklärte sie. »Und jetzt wollen Sie von mir wieder einmal
wissen, was Sie tun sollen.«
Arved nickte. »Das Ganze kommt mir wie eine
Schmierenkomödie vor. Ich fürchte, ich habe mich
völlig verrannt. Wie können diese Leute eine Verbindung
mit… mit was auch immer aufnehmen?«
Lioba Heiligmann stellte das Glas vorsichtig auf dem kleinen
Tischchen ab, zog ein Zigarillo aus der Schachtel, die neben dem
Aschenbecher lag, und entzündete sie mit leichter Hand.
»Wissen Sie, an Ihrer Stelle würde ich jetzt auf alle
Fälle weitermachen. Sie haben so viel über sich ergehen
lassen und bekommen dafür nun einen Logenplatz bei einer
bestimmt filmreifen Aufführung. So etwas wird einem nicht oft
geboten. Ich glaube, Jochen Martin würde dafür sogar seine
Haarpracht opfern.« Als sie lachte, klang es glockenhell.
»Ja, Sie haben Recht«, meinte Arved, nachdem er ein
weiteres Glas Wein genossen hatte und sein jüngst erworbener Mut
zurückkehrte. »Ich werde alles auf mich zukommen lassen.
Wenn wirklich ein Tor geöffnet wird, weiß ich, was zu tun
ist, und wenn alles nur Humbug ist, muss ich auch daraus die
Konsequenzen ziehen.«
Lioba Heiligmann nickte. »Ich werde die heilige Elisabeth um
Hilfe bitten. Meistens bringt das etwas. Sehen Sie mich nicht so
skeptisch an! Ihnen bleibt sowieso nichts anderes übrig, als zu
akzeptieren, was geschieht. Bestimmt sind Sie nach der ganzen Sache
klüger.«
* * *
Arved fuhr viel zu schnell durch die Stadt. Über dem
Gespräch mit Lioba hatte er ganz vergessen, dass sich die
Teufelsanbeter telefonisch bei ihm melden wollten. Als er das Haus
betrat, schellte das Telefon. Arved schlug die Tür zu, damit die
Katzen nicht entkommen konnten, und hastete zu dem kleinen Tisch, auf
dem der Apparat stand.
»Du hast dich mit jemandem getroffen, den wir gar nicht
schätzen, Arcador«, donnerte die Stimme am anderen Ende.
»Die Sache ist erledigt.«
»Halt, halt«, beeilte sich Arved zu sagen. »Die
Sache ist keinesfalls erledigt. Lioba ist eine alte Freundin von mir.
Es stimmt, dass wir auch über Dämonologisches geredet
haben, aber ich weiß doch weder, wer Sie sind, noch wann und wo
wir uns heute Abend treffen werden. Also konnte ich gar nichts
über Sie preisgeben. Sind Sie denn nicht mehr an dem Grimorium Nigrum interessiert?«
Schweigen am anderen Ende. Schließlich brummte die Stimme,
die nicht nur den Hörer, sondern auch Arveds Kopf ganz
auszufüllen schien: »Wenn du
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