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Hexennacht

Hexennacht

Titel: Hexennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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raunendes
Blättergetuschel lag wie ein Helm über dem nächtlichen
Wanderer und den erstaunlich stillen Katzen.
    Arved wunderte sich beinahe, dass er nichts mehr von Magdalena
gesehen und gehört hatte. Er weigerte sich, weiter über den
Ursprung seiner Visionen nachzudenken. Morgen war noch genug Zeit
dazu. Morgen war er klüger. Doch erst einmal musste er das
Morgen erleben.
    An einer Weggabelung führte ihn ein Holzschild nach rechts,
weiter bergan. Bald kam er unter einem Bruchsteinbogen hindurch, der
früher wohl einmal ein hölzernes Tor getragen hatte und nun
halb von Efeu zugewuchert war. Arved keuchte die letzten Meter an der
inneren Burgmauer entlang und gelangte endlich zum Bergfried.
Erschöpft setzte er den Katzenkorb in das taufeuchte Gras und
wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Niemand zu sehen, niemand zu hören.
    Er ließ den Korb stehen und betrat den Bergfried durch die
schmale Tür. Die Taschenlampe zeigte ihm ein dunkles Bündel
unter der Treppe.
    Plötzlich piepte es aus dem Bündel.
    Es waren die unverkennbaren Klingeltöne eines Handys.
Irgendwie kam ein solches Gerät an diesem Ort Arved sehr
anachronistisch vor. Er ging auf den dunklen Haufen zu und
durchwühlte ihn. Es handelte sich um ein Paar schwarzer
Lederhandschuhe sowie einen schwarzen Umhang mit Kapuze, unter dem
das Handy lag und aufgeregt elektronische Musik spielte. Arved nahm
das kleine blaue Telefon auf und drückte auf den grünen
Knopf.
    »Herzlichen Glückwunsch«, ertönte blechern die
einst so verführerische Stimme der Frau, von der Arved nur
wusste, dass sie schwarze Haare hatte. »Du hast unsere
Anweisungen befolgt und auch die Katzen sowie das Buch nicht
vergessen. Dann steht unserem kleinen Experiment nichts mehr im
Wege.«
    »Wo sind Sie?«
    »Überall und nirgends. Lass das Handy eingeschaltet,
damit wir dich immer hören können. Komm also nicht auf die
Idee, irgendjemandem mitzuteilen, wohin wir dich jetzt schicken. Nimm
den Umhang und geh zurück zu deinem Wagen.«
    »Was!«, rief Arved wütend in das kleine Gerät.
»Ich bin doch nicht den ganzen Weg hier hinaufgeklettert, nur um
jetzt…«
    »Geh zu deinem Wagen«, unterbrach ihn die Frau
ungeduldig. »Wenn du hinter dem Lenkrad sitzt, wirst du weitere
Anweisungen erhalten.« Am anderen Ende wurde es still. Arved
seufzte, steckte das Handy in die Außentasche seiner Windjacke,
warf sich den schwarzen Umhang über den Arm und hob den
Katzenkorb auf. Dann machte er sich auf den mühsamen
Rückweg. Trotz der Taschenlampe, die er ungelenk in der linken
Hand hielt und über die immer wieder der lächerliche Umhang
rutschte, stolperte er mehrfach über tückische Wurzeln und
stieß gegen spitze Steine. Inzwischen tat es ihm Leid, sich auf
dieses irrwitzige Abenteuer eingelassen zu haben. Mit jedem neuen
Schmerz in seinen Zehen wich die Angst vor den bevorstehenden
Ereignissen weiter zurück und machte einer nicht
unbeträchtlichen Verärgerung Platz.
    Als er endlich seinen Wagen erreicht und den Katzenkorb sowie den
Umhang auf die Rücksitze geworfen hatte – die Katzen hatten
heftig gegen diese rüde Behandlung protestiert –, nahm er
das Handy aus der Jackentasche und brummte hinein: »Bin da. Und
jetzt?«
    Fast hatte er den Eindruck, als werde am anderen Ende gelacht.
Eine ferne Stimme – nicht die der Frau – sagte: »Fahr
zurück in Richtung Autobahn. Nimm die erste Abzweigung nach
links Richtung Buchholz. Fahr bis zur Kirche, aber stell den Wagen
nicht neben ihr ab. Am besten parkst du einige Meter weiter links, wo
ein Wanderweg zwischen Obstwiesen hindurchgeht. Dann gehst du zur
Kirche. Pass auf, dass dich niemand sieht. Normalerweise ist hier
oben nie etwas los, aber sei trotzdem vorsichtig.« Ende der
Durchsage.
    Arved startete den Wagen, wendete und fuhr bergan, bis er das
gelbe Hinweisschild vor sich sah. Er bog nach links in einen dichten
Wald ein. Die Straße machte eine so scharfe Kehre nach rechts,
dass ein Hinterrad plötzlich durchdrehte. Dann kroch die
Straße aus dem Wald hervor und führte an Wiesen vorbei auf
eine Kirche zu, deren spitzer Turm den hinter den fernen Bäumen
hervorgekommenen Mond aufspießte. Arved fuhr wie befohlen an
der Kirche vorbei. Auf der anderen Seite der Straße lagen zwei
Häuser, doch aus keinem von beiden drang ein Lichtschimmer.
Arved parkte den Wagen auf dem kleinen, nach links in die Wiesen
führenden Weg und lud wieder einmal alles aus. Er streifte sich
den Umhang über, zog die Handschuhe an – sie

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