Hexennacht
Brusttasche seines Hemdes steckte.
»Aber… mein Führerschein und…«
»Ich muss Sie leider bitten, mit uns zu kommen«, sagte
der Schnauzbart mit übertriebener Höflichkeit.
»Warum? Ist mit dem Wagen etwas nicht in Ordnung?«,
fragte Arved besorgt.
»Oh, doch, doch, aber leider liegt etwas gegen Sie
vor.«
»Gegen mich? Das ist unmöglich«, wandte Arved ein.
Ihm brummte der Kopf. Er musste sich an dem warmen Blech seines
Wagens festhalten.
»Wir haben Ihren Wagen bereits am Verteilerkreis
bemerkt«, sagte der andere Polizist, der inzwischen seine Hand
von dem Bentley weggenommen und in den Pistolengürtel gehakt
hatte. »Wir haben ihn durch unseren Computer sofort
überprüfen lassen und festgestellt, dass Sie ein
flüchtiger Straftäter sind.«
Arved versuchte zu lächeln. »Das stimmt nicht. Ihr
Computer muss sich irren. Ich bin Priester.«
Die beiden Polizisten lachten gleichzeitig. »Natürlich.
Ein Priester mit einem Bentley und einem
Vorstrafenregister.«
»Vorstrafenregister?« Arved wurde immer verdutzter.
»Hier muss eine Verwechslung vorliegen.«
»Das können wir am besten auf dem Revier
klären«, sagte der Schnauzbart. »Kommen Sie
mit.«
»Aber meine Katzen…«
Der Tätowierte öffnete die Beinfahrertür. Lilith
und Salomé schossen aus dem Wagen. Kurz hatte Arved gehofft,
sie würden wie in dem unheimlichen Gasthaus eingreifen, doch sie
rannten in Richtung Friedhofsmauer und waren bald verschwunden. Arved
riss es fast das Herz aus dem Leib.
»Sehen Sie, so löst sich alles«, sagte der
Tätowierte beinahe freundlich. »Wenn Sie bitte einsteigen
wollen…«
Arved ließ die Schultern sinken. Auf der Wache würde
sich alles klären. Der Schnauzbart hielt ihm die hintere
Türe der Limousine auf und bat ihn mit einer übertriebenen
Geste, Platz zu nehmen. Der Tätowierte setzte sich neben ihn,
während sein Kollege hinter dem Lenkrad Platz nahm und den Wagen
startete. Der Motor brüllte auf. Eine schwarze Trennscheibe
wurde hochgefahren.
»Einen interessanten Einsatzwagen haben Sie da«, wagte
Arved zu bemerken und sah den Tätowierten an, der ihm
gegenüber auf einem ausklappbaren Notsitz saß.
»Ein zweiundsechziger Cadillac«, antwortete er und
grinste.
»Schwimmt die Polizei jetzt auf der Oldtimerwelle mit?«,
gab Arved zurück und freute sich still über seinen Mut.
»Konfisziert, von einem Drogendealer aus Konz. Eignet sich
wunderbar für unsere Zwecke.«
Arved versuchte nach draußen zu schauen, doch er sah nichts
als Schwärze. Sanft glitt der Wagen um die Kurven und nichts
außer dem Wummern des gewaltigen Motors war zu hören.
Arved dachte an seine Katzen und fragte sich, ob er sie je
wiedersehen würde. Was für eine Frechheit von den
Polizisten, sie einfach auszusetzen. Bestimmt würden sie auf dem
Friedhof überleben. Sie würden Mäuse fangen und sich
mit anderen Katzen um die Beute balgen. Vielleicht würde es
ihnen dort sogar besser gehen als in dem alten, dunklen Haus in der
Palmatiusstraße. Doch der Gedanke, dass sie nun aus seinem
Leben verschwunden waren, bedrückte Arved mehr, als er es
für möglich gehalten hätte. Sie waren in der letzten
Zeit zu einem Teil seines Lebens geworden. Er seufzte.
Der Polizist deutete dieses Seufzen falsch und sagte, während
er die Beine übereinander schlug: »Wir sind bald da, und
dann wird sich bestimmt alles aufklären, wenn es so ist, wie Sie
sagen.« Er grinste Arved an. Es sollte wohl aufmunternd wirken,
doch tatsächlich wirkte es bedrohlich.
Der Wagen hielt. Der Tätowierte schaute aus dem Fenster. Er
schien mehr zu sehen als Arved, denn er drückte die schwere
Tür auf, stieg vor Arved aus und reichte ihm die Hand. Arved
ergriff sie. Sie war eiskalt. Arved blickte sich um. Er stand in
einem Innenhof, der aus vier großen, völlig
unterschiedlichen Gebäuden gebildet wurde. Vor ihm erhob sich
die Rückseite eines Jugendstilhauses mit floralen Elementen um
die Fenster und Stuck, der von grünlichen Strahlern beleuchtet
wurde. Aus schlanken Frauenkörpern, die Strebepfeiler hielten,
wuchsen Blumen und Ranken heraus. Rechts neben ihm befand sich ein
Backsteinbau aus dem neunzehnten Jahrhundert mit vergitterten
Fenstern, die ebenfalls angestrahlt waren. Sie wirkten wie
Zellenfenster eines Gefängnisses. Links stand ein Haus aus den
Fünfziger Jahren, mit glatter, nichts sagender Fassade und
großen Fenstern, die wie erloschene Augen in den Innenhof
starrten.
Der Teil, durch den sie gekommen waren, schien nur aus Glas
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