Hexensabbat
zerbrechen, und sich wieder in das Reich des Unsichtbaren, des Unwirklichen zu begeben. Wer aber im Wechsel bald seinen Geist mit allem Leben jener Wirklichkeit zukehrt, und sich dann wendet, um auch aus dem Quell der heiligen, wesenlosen Liebe zu trinken, der ist der vollkommene, wahre Mensch. Das Versinken in die Ruhe, in den Tod wird ihm neue Stärke geben, um die wirkende Unruhe, das sich verwandelnde, stets forttreibende Irdische zu genießen und zu verstehen, und die Sättigung im Leben und Schaffen wird ihn erst genug läutern, um jener Ruhe und des in sich selbst Versinkens, um in Gott unterzugehen, fähig zu werden. Was ist uns Mittler, um uns dem Allerhöchsten, dem Unbegreiflichen zu nahen? Christ soll es sein, in seiner Menschen- und Kindergestalt; in seinem Lehren und Leiden, in unsrer anbetenden Liebe und schmerzlichem Mitleid. Aber auch die Geschichte, die Natur, die Kunst, Poesie und Musik, sowie der Gedanke und die Philosophie, können und sollen uns Vermittler sein. In allen diesen wirkt und herrscht jener hohe Feuergeist, jener kräftige Engel, der sich vom Unsichtlichen trennte, und sich des Scheines, des Nichts, des Vergänglichen erbarmte, um auch dieses zum Triumph zu führen, und jenen Allmächtigen, Unaussprechlichen im sogenannten Irdischen zu verklären. Dieser Lichtträger, oder Luzifer, ist es, der im Helden, Denker, Begeisterten, Dichter und Künstler regiert und webt. Was dieser hohe Geist hervorbringt, ist freilich vor dem Auge des ganz in die Unsichtbarkeit versenkten Religiosen ein Nichts, ein Atom, ein Moment; aber in diesem Moment erhebt sich die ganze Ewigkeit. Ihr werdet es oft erlebt haben, mein Freund, daß im Beschauen eines schönen Gemäldes, in der Musik, oder wenn ein edles Gedicht Euch wahrhaft entzückt hat, Ihr im höchsten, innigsten Verständnis auf einen Augenblick ganz in das Kunstwerk übergegangen, und für diesen Moment Euch selber tot seid. Das ist der Augenblick der Weihe und der Seligkeit. Und gleich darauf, wenn Ihr zu Euch und zur Besinnung zurückkehrt – was blickt Euch in der Erinnerung des Entzückens und Verständnisses für ein Auge an? Der Ewige, Unaussprechliche selbst, der in Eure edelsten Kräfte hineingestiegen war, Ihr habt Ihn erlebt und gefühlt, und in dem innersten Heiligtum der Kunst oder Natur, welches dieser Kunstgeist Luzifer Euch schuf und öffnete, ist doch nur wieder Er. Dieser erinnernde Rückblick, in welchem Ihr Ihn erkennt, ist der fruchtreichste, ergiebigste Eures Lebens, denn in ihm erzeugen sich tausend neue Gedanken und Gefühle zu künftigen großen Verständnissen. In solchem Moment weiß der Denker, sowie der begeisterte Freund der Kunst, daß er Ihn geschaut hat, und die Idee, wie es Platon nennt, ist ihm entgegengekommen. Aus dem augenblicklichen Tode ist das höchste Leben erwachsen, und nur im Rückblick der Besinnung wird Er dann erkannt, indem Er sich uns schon wieder entzieht, so wie Telemach im Entweichen erst Pallas erkennt, oder Jakob nach dem Kampfe, mit wem er gerungen hat, die Jünger den erstandenen Heiland, nachdem er in Emmaus entschwunden ist. Ja, Freund, so sehen wir in dem Ungrund zuweilen Ihn selbst, und der Heiland führt uns in milder Gestalt der Liebe zum Ewigen, vor dem wir nur zittern könnten, enthüllte er sich uns in ganzer Macht; so sind die Engel und Geister Vermittler, alle die Heiligen, Wundertäter und Märtyrer, der Anblick des Kreuzes, der Kirche, der Lichter und Sakramente: aber nicht weniger jene kräftigen Geister der Erde, vor denen sich der Unverständige mit Scheu zurückwendet; diese Kräfte der Natur, der Kunst, des Forschens, der Geist der Schönheit, des Scherzens und des Witzes sind uns ebenfalls Vermittler, und geben uns den gemilderten Anblick des Ewigen, und unser Herz ist in Liebe gesättigt und jauchzt, von den Wogen der Liebe getragen und gehoben; denn diese, wohin ich nur blicke, kommt mir in tausend wechselnden Gestalten entgegen. Der Heerführer und hochkräftige Fürst dieser ist der geschmähte Lichtbringer, Luzifer, der Erreger des irdischen Glanzes, der Freude, der Kunst und aller Poesie. Und diesen geheimnisreichen Meister, dem wir alle das Schönste zu danken haben, begrüße ich in allen Stunden, wie eben jetzt wieder, und wünsche, daß ich nichts gesprochen haben möge, was ihm entgegen ist.
Es sei Euch Dank gesagt, antwortete Friedrich, tief nachdenkend, daß Ihr die Erde, das Irdische und die Wirklichkeit, sowie den Schein und die schnell vorübergehende
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