Hexenseelen - Roman
Top darunter hoch. Mit einer Handfläche wischte sie sich das Blut ab. Sie musste viel Energie verschleudern, damit der Schnitt sich effektvoll zusammenzog, aber die Wirkung traf die Burschen tief, was sie an den verblüfften Gesichtern feststellte, und somit war die Vorstellung zu Ende, die dieser Pöbel hoffentlich nicht so schnell vergessen würde.
Sie lachte auf, lief zurück zu dem Audi und klatschte in die Hände. »Also, lasst uns anfangen. Und diesmal will ich richtige Flammen sehen! Na, wer macht mit?«
Wie nach einem Peitschenschlag schnellten die anderen vier zum Auto. Ein Gewusel entstand, wobei diese Dummköpfe über die eigenen Beine stolperten und einander bei der Arbeit behinderten. Stella fasste sich an die Stirn. Was für ein Kindergarten! In diesen Momenten gestand sie sich, dass sie Conrads Clan, der dem Messias nicht folgen wollte und den sie deshalb verlassen musste,
vermisste. Wie hatte der Nachzehrer es bloß geschafft, dass bei ihm sogar die Neulinge stets wussten, was zu tun war, und streng organisiert an eine Sache herangingen? Zugegeben, er brauchte sich nicht mit dieser Menschenbrut herumzuplagen. Hoffentlich würden ihre Bemühungen bald Erfolg zeigen. Denn wenn das so weiterging, würde der Messias am Ende über eine klägliche Horde von Rotznasen befehlen, die sich schon in die Hose machten, wenn sie Conrad bloß zu Gesicht bekamen, ohne ihn auch nur im Kampf zu erleben.
Bald schwängerte Benzingeruch die Herbstluft. Wenn diese Idioten sich nicht selbst mit dem Brandbeschleuniger übergossen hatten, war gleich eine Wahnsinnsshow zu erwarten, und wehe, die Vorstellung enttäuschte sie.
Als die Flammen den Wagen erfassten und hoch in den schwarzen Himmel loderten, jubelte Stella. Sie griff nach der Hand eines ihrer Begleiter, zog ihn mit sich, juchzte und tanzte um den brennenden Audi. Die Hitze liebkoste ihre Wangen, schoss durch ihre Adern und machte es ihr unmöglich, stillzuhalten.
»Kommt«, rief sie, trunken von der Euphorie, die ihr ganzes Wesen erfasst hatte. »Lasst uns feiern! Ich will eine Party sehen! Eine Party!« Sie riss den Kopf in den Nacken und johlte lauthals.
»Scht«, flüsterte eine Kapuzengestalt, in der sie Cerim erkannte. Diesen Narren, der sich zu jedem Ausflug mit ihr freiwillig meldete und sich in ihrer Nähe herumtrieb. »Du weckst noch die Leute auf! Wir wollen doch nicht …«
Stella fuhr herum und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Das Blut aus seiner Nase schmierte über ihre Knöchel. Dabei hatte sie gar nicht fest zugehauen, mit ihrer Nachzehrer-Kraft hätte sie ihm seinen Rüssel nach innen prägen können. »Schnauze! Schon bald werden wir uns nicht mehr verstecken müssen. Die Welt wird vor uns niederknien!«
Gedankenverloren wischte sie sich das fremde Blut von der Hand. Die ganze Welt. Zu ihren Füßen. Das Recht des Stärkeren - die Menschen sollten endlich kapieren, wer an der Spitze der Nahrungskette stand. Denn es ging immer nur darum, ganz egal, zu welcher Spezies man zählte.
Es wurde immer heißer. Die Flammen drohten auf die umstehenden Autos überzuspringen, leckten an dem Lack und brachten Plastikteile zum Schmelzen. Erst als Stella das Heulen der Feuerwehrsirene hörte, machte sie ihren Begleitern ein Zeichen und verschwand in der Dunkelheit. Ihr totes Herz trommelte, das Blut rauschte ihr in den Ohren. Was für eine herrliche Nacht! So einen Kick hatte sie seit langem nicht mehr bekommen. Sie fühlte sich übermächtig. Frei. Lebendig. Sollte Conrad doch versuchen, sich ihr oder dem Messias in den Weg zu stellen!
Noch lange hing ihr der Geruch des Brandes in der Nase, auch, als sie und ihre Begleiter den Van längst erreicht hatten und in Richtung Hamburg rasten. Bei jedem Ausflug fuhr Stella selbst, was mit ihrem gefälschten Führerschein und dem Aussehen einer Siebzehnjährigen
nicht ungefährlich war. Doch wie sagte man so schön: No risk, no fun. Heute legte sie es buchstäblich darauf an, von der Polizei angehalten zu werden. Die Gier nach Lebenskraft wallte in ihr auf, die verschwendete Energie wollte ersetzt werden. Sie musste sich bald nähren, also warum nicht an den Gesetzeshütern? Aber die Beute fiel nicht auf den Köder herein.
Im Wagen hatte sich eine bedrückende Stille ausgebreitet. Seit der Abfahrt aus Reinbek hatte keiner ein Wort verloren. Man konnte glauben, sie kehrten von einer Beerdigung und nicht von einer gelungenen Party zurück. Diese Spaßbremsen.
»Hey, was für ein Abend!« Stella stupste
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