Hexenseelen - Roman
leider völlig nutzlos. Als Stella sich ihnen näherte, sperrten die Männer die Tür auf. Sie schenkte den beiden ein halbherziges Lächeln und sah hinein.
Mitten im Raum thronte ein massiver Stuhl aus Metall, an den ein Junge angekettet war. Vier Bügel aus Stahl fixierten seine Hände und Beine, ein weiterer drückte seinen Hals gegen die Stuhllehne. Außerdem hielten ihn Metallketten um die Brust, den Bauch und die Beine fest.
An der Wand gegenüber lehnte Svenja - eine große Untote, die mit ihrer Statur und dem sportlichen Outfit an eine Basketballspielerin erinnerte. Ihr glasiger Blick ruhte auf dem Gesicht des Jungen. Dabei rührte sie sich nicht, was nur eins bedeuten konnte: Sie war in Trance gefallen, vom Willen des Jungen bezwungen.
Stella trat über die Schwelle. Der Gefangene drehte den Kopf, soweit es ihm seine Fesseln erlaubten. Seine
Mundwinkeln hoben sich. »Ah, Stella. Ich habe mich schon gefragt, wann du mich mit einem Besuch beehrst.«
Sei vorsichtig , mahnte Timo in Stellas Gedanken. Er sieht wie ein Bengel aus, ist aber einer der Ältesten. Unglaublich stark.
»Danke sehr«, sagte der Junge, und Stella zuckte zusammen. Wirklich stark, wenn er sich ohne jede Einladung in eine fremde Kommunikation einklinken konnte. Zumal es wirkte, als koste es ihn keinerlei mentale Anstrengungen.
Stella schob ihre Unsicherheit beiseite. Die durfte sie in seiner Gegenwart nicht zeigen, weder äußerlich noch in Gedanken. Sie kam näher.
»Was glaubt ihr, was er mir tun kann? Mich anspucken?« Mit einer Hand fuhr sie ihm durch das struppige, rotblonde Haar und konzentrierte sich auf die Wahrnehmung seiner Aura. Das Grau - die Farbe eines jeden Nachzehrers - flimmerte schwach, stand kurz davor zu erlöschen. Er verlor an Lebensenergie, lange würde er ohne Nahrung nicht mehr durchhalten.
»Bring Svenja hier raus, und schließe die Tür, wenn du gehst. Lass mich mit ihm allein.«
Timo nickte. Er kam auf die Frau zu, packte sie an den Schultern und führte sie behutsam aus dem Raum. Svenja bewegte sich steif wie ein Roboter, der eine Funktionsstörung hatte. Wäre sie allein gegangen, wäre sie vermutlich immer wieder an derselben Stelle gegen eine Wand gelaufen.
Stella wartete, bis die Tür hinter ihr einrastete. Die Arme vor der Brust verschränkt, spazierte sie hin und her durch den Raum und kickte ein Steinchen vor sich her. »Alfred, ich nehme an, du wirst mir nicht sagen, was Conrad plant, nicht wahr?«
»Zuckerschnäuzchen, du brichst mir das Herz. Wir sind gerade erst allein und ungestört, und du fragst gleich nach einem anderen Mann? Tz, tz, tz.«
»Du willst spielen? Dann spielen wir.« Aus einem Stiefel holte sie ein Messer hervor und wog es in der Hand. »Auf die sanfte Tour willst du es nicht. Nun, so zwingst du mich, äußerst barbarische Methoden anzuwenden.«
»Och, Liebes. Ich wusste gar nicht, dass du auf SM stehst. Mein Safe-Wort lautet Brokkoli - kannst du es dir merken, oder soll ich es aufschreiben?«
»Mach dir bloß keine Umstände. Ich hoffe, es wird dir genauso viel Spaß bereiten wie mir, wenn ich dich von ein paar deiner Sommersprossen befreie. Samt Haut.« Sie beobachtete, wie sich das Licht der Lampe, die in einer Ecke stand, auf der Klinge spiegelte. Die Schönheit der Waffe begeisterte sie immer wieder aufs Neue. Was für eine famose Handarbeit! Der Griff lag bequem in der Hand, die Schneide hätte auch einen fallenden Seidenschal zerschnitten. »Also, ich frage dich noch einmal: Was will Conrad unternehmen? Worauf bereitet sich der Clan vor, und wie stark ist er im Moment?«
Der Junge kniff die Augen zusammen. »Ich werde dir nichts sagen. Da verzichte ich lieber auf ein paar Sommersprossen.«
»Wie du meinst.« Sie grub eine Hand in sein Haar und hielt ihm den Kopf fest. Das Messer setzte sie an seine Nase an und schlitzte ihm einen Nasenflügel auf. Sie konnte spüren, wie er mit sich kämpfte, um nicht zu schreien, und natürlich trotzdem schrie.
Stella ließ ihn los und trat einen Schritt zurück. »Und? Hast du es dir anders überlegt?«
Blut strömte sein Kinn herunter, schlug an dem Nasenloch Blasen, wenn er ausatmete, und tropfte auf sein T-Shirt. Es dauerte, bis er sich weit genug gefasst hatte, um eine Reaktion zu zeigen. Leider die falsche. Er spuckte sie an. Ein sinnloses Aufbegehren, zumal der Auswurf sie nicht erreichte.
Stella seufzte. »Ja, das habe ich schon befürchtet. Hm, weißt du, ich würde wirklich gern wissen, womit Conrad deine alberne
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