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Hexenseelen - Roman

Hexenseelen - Roman

Titel: Hexenseelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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Zerstöre ihn! Er hat es nicht anders verdient.

Kapitel 8
    S ie wollte es nicht, aber nachzugeben wäre so einfach! Sie müsste ihn nur berühren, ihm mit der Hand über die Wange streichen. Wie seine Haut sich wohl anfühlen mochte?
    Noch zögerte Ylva, während sie die Echos seiner Emotionen empfing. Unbehagen, Beklommenheit und Verbitterung schwappten zu ihr herüber und trübten ihre Sinne. Sie nahm das ganze Geschehen wahr, als würde sie einer Pantomime zuschauen, ohne selbst ein Teil davon zu sein. Einer sehr bedrückenden Pantomime, die sie unendlich traurig und betroffen machte. Ylva fragte sich, woher all diese Trostlosigkeit kam, und fürchtete sich gleichzeitig davor, weiter in den Abgrund zu blicken und hinunterzustürzen. So, wie Conrad es tat, nachdem sie ihn gerade hinuntergestoßen hatte, direkt in das gierige Maul des Dings in ihr. Das Dunkle fraß sich in seine Seele, zerriss seine Gefühle, aber es brauchte mehr. Viel mehr. Denn ein über hundert Jahre alter Untoter wusste seine Emotionen zu gut zu verbergen. Sie musste tun, was seine Schutzschilde durchbrechen würde, was zu ertragen ihm eine Qual war.
    Ylva schloss die Augen, streckte ihren Arm aus und
spürte Conrads Haut unter den Fingern. Er zuckte zusammen wie unter einem Schlag und blieb dennoch bei ihr. Sie spürte, wie Panik in ihm aufzusteigen drohte und wie er sie mit aller Macht niederzukämpfen versuchte. Was hatte er bloß erlebt, wenn eine einfache Berührung so etwas in ihm hervorrief? Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die zurückzuhalten Ylva unmöglich war.
    Das Ding in ihr frohlockte, drang noch tiefer in ihn. Sie hasste sich dafür, war sich selbst zuwider, dass sie es zuließ.
    Ich muss es aufhalten. Ich muss. Etwas. Dagegen. Tun! Jedes Wort rüttelte ihr Bewusstsein ein wenig mehr auf.
    Musst du nicht. Kannst du nicht , rauschte es durch ihre Adern, und die imaginären Larven schienen ihr Rückgrat emporzukriechen, in ihr Gehirn einzudringen und sich dort einzunisten. Genieße es. Denn das bist du, mit jeder Zelle deines Körpers.
    Ja, sie konnte das Ding nicht mehr in seine Schranken weisen, es war ihr entglitten, frei. Doch sie konnte es zurücklocken. Aus irgendeinem Grund wusste Ylva, was sie jetzt machen sollte. Ohne wirklich zu verstehen, wie es ihr gelang, wie es überhaupt möglich war, ließ sie Conrads Gefühle, die von dem Ding immer mehr zerfressen wurden, durch sich fließen.
    Seine Gefühle durchdrangen sie so intensiv, dass es ihr für einige Sekunden den Atem verschlug. Beklemmende Angst stieg in ihr empor, Angst, dass jemand kommen und sie … anfassen würde. Hass zerfetzte ihre Seele. Hass auf denjenigen, der …

    Sie rang nach Luft. Sie wollte schreien. Sie war doch nur ein Kind!
    Das Dunkle kam hinterher, lechzend nach den qualvollen Empfindungen. Ylva leitete die Gefühle weiter. Dorthin, wo nichts und niemand sie jemals finden würde. Fort aus dieser Welt. Für immer. Aber wie viel hatte das Ding vorher davon bekommen? Und wie stark war es dadurch geworden?
    Es war der Geruch der Königin, der durch den Wirbel ihrer Gedanken schnitt und Ylva in die Realität zurückriss. Sie witterte Linnea, blinzelte und musste zuerst einmal realisieren, wo sie sich befand. Wer sie überhaupt war. Und was sie gerade getan hatte.
    Der stürmische Wind fegte den Regen unter das Vordach des Bahnhofs und jagte die Menschen davon, die sich in ihre Jacken und Mäntel wickelten oder mit den Regenschirmen kämpften. Was sich um sie herum sonst noch abspielte, hatte keiner von ihnen mit mehr als einem flüchtigen Blick bedacht.
    Ylvas Haar klebte an ihrem Gesicht wie Seetang. Sie fühlte sich verloren und fremd in dieser Welt, wie ein Meeresungeheuer, das von tosenden Wellen an Land gespuckt wurde. Noch immer ruhte ihre Hand an Conrads Wange, aber die rauchigen Tentakel hatten sich zurückgezogen und ihn endlich in Ruhe gelassen.
    Ylva senkte den Arm. Das Ding hatte schon längst aufgehört, sie zu quälen, nichts deutete auf seine Präsenz hin, nur ihr Körper fühlte sich tonnenschwer und unbeweglich an. Genauso wie ihre Seele.

    »Entschuldige«, wisperte sie und versuchte, einen Blick in Conrads Augen zu erhaschen. Die Angst, in seiner Nähe zu sein - so nah! -, kehrte zurück. Aber was war schon ihre Angst im Vergleich zu dem, was sie ihm angetan hatte?
    Er sah sie nicht an, sondern starrte wie blind vor sich hin. Sein Gesicht war kreideweiß, die Unterlippe blutig gebissen.
    »Conrad?« Ihr Herz schlug heftig, als

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