Hexenseelen - Roman
Ylva, warum Conrad beim Thema Pflanzen ins Schwärmen geriet. Er war Blumenhändler. Sie schmunzelte. Also jemand, der sich hauptsächlich damit beschäftigte, Sträuße zu binden, statt - wie sie es sich in ihrer lebhaften Fantasie ausgemalt hatte - Menschen in ihre Einzelteile zu zerlegen.
Adrián schob die Seitentür auf. Ylva kletterte ins Wageninnere, Linnea folgte ihr und schließlich der Untote selbst. Dann schloss sich die Tür.
Die Dunkelheit, die Ylva umfing, kam ihr sehr entgegen. In der Finsternis fühlte sie sich wohl und geborgen, obwohl der Hauch des Todes, der den Nachzehrer umgab,
ihr unheimlich war. Aber er versetzte sie nicht in die Panik, die Conrads Nähe bei ihr auslöste. Anscheinend war die Intensität der Todespräsenz von einem Nachzehrer zum anderen verschieden. Die von Adrián konnte sie einigermaßen gut ertragen. Auch wenn sie sich vermutlich nie daran gewöhnen würde.
Ylva verkroch sich in eine Ecke, lehnte sich mit dem Kopf gegen das kalte Metall und schloss die Augen. Der Wagen setzte sich in Bewegung. Das Grummeln des Motors und das Schaukeln des Transportes besänftigten ihr aufgewühltes Gemüt. Sie würde es schon irgendwie schaffen, ihren Platz in diesem Leben, in dieser Welt zu finden. Es gab immer eine Lösung. Nur lag diese nicht immer gleich auf der Hand. Sie konnte nur hoffen, ihr Dasein würde nicht daraus bestehen, den anderen wehzutun. So, wie sie Conrad wehgetan hatte.
»Geht es dir gut, mein Kleines?«, fragte Linnea nach einer Weile. Wie viel Fürsorge sprach aus diesen Worten, und wie falsch sie sich anfühlten! Ylva erwog, die Frau zu ignorieren, wollte ihre Königin aber auch nicht provozieren. Wer wusste schon, ob der Untote ihr helfen konnte, wenn Linnea auf den Gedanken kam, ihren Duft einzusetzen.
»Mir würde es besser gehen, wenn ich wüsste, was mit mir los ist.« Es gelang ihr sogar, nicht zu fauchen, ihre tierischen Instinkte so weit zu unterdrücken, dass die Antwort müde, aber ganz normal klang.
Es raschelte, als Linnea ihre Sitzposition wechselte. »Ach, mein Mädchen, ich hatte gehofft, du würdest besser
damit klarkommen. Ich wollte dir helfen, glaub mir, auch wenn du mir im Moment dafür höchstwahrscheinlich nicht danken wirst.«
Ylva horchte auf. »Mir helfen?«, fragte sie zögernd. »Heißt das, du weißt, was dieses Ding in mir ist und woher es kommt?« Oder spielte die Königin bloß mit ihren Hoffnungen, um sie stärker an sich zu binden?
»Es ist ein Dämon des Schattenreiches.«
Während Ylva sich vorzustellen versuchte, was sie darunter zu verstehen hatte und was das für sie genau bedeutete, schnaubte Adrián: »Ein … was? Ich glaube, ich spinne!«
Das glaubte Ylva von sich ebenfalls. Doch wenn es Metamorphe und Untote gab, warum nicht auch Dämonen? Viel wichtiger war, wie sie ihn wieder loswerden konnte. Aus Adriáns Empörung schlussfolgerte sie, dass man diese Angelegenheit keinesfalls als alltäglich bezeichnen konnte.
»Na gut, ein Dämon also. Wie ist er in mich hineingelangt? Woher kommt er? Und was ist ein Dämon überhaupt?«
»Das würde mich ebenfalls brennend interessieren«, grollte der Untote.
Linnea seufzte. Ihrem Ton nach zu urteilen, bemühte sie sich, den Mann zu ignorieren. »Ylva, mein Mädchen, du warst geistesgestört, viele Jahre lang. Es gab keine Aussicht auf eine Besserung, im Gegenteil. Am Ende ging es dir überhaupt nicht gut, und ich musste um dein Leben bangen. Da erschien mir Oya …«
Wieder unterbrach der Nachzehrer sie. »Oya? Ich möchte doch sehr hoffen, du meinst damit nicht eine gewisse Mächtige?«
Eine Pause entstand. Ylva hörte, wie sich Linneas Atmung beschleunigte. Und das Beben in ihrer Stimme, das Bedauern und die Furcht klangen echt: »Sie sagte, sie könne helfen.«
»Du hast dich auf einen Deal mit einer Mächtigen - einer Hexe! - eingelassen?« Vor Empörung knallte Adrián seinen Kopf gegen die Transporterwand. » Caramba , so viel Dummheit hätte ich dir gar nicht zugetraut. Ylva war geistesgestört, okay, aber ist das bei euch Biestern ansteckend? Ach, ich vergaß: genetisch bedingt. Ist es bei dir auch so weit?«
»Krieg dich wieder ein«, zischte Linnea zurück, allerdings ohne den Spott und die Verachtung, die sie den Totenküssern sonst entgegenbrachte. »Meinst du, die Entscheidung sei mir leichtgefallen? Ich wollte nicht, dass Ylva leidet, ich wollte …«
»Ach, erzähl mir nicht, du wolltest dem Mädchen helfen! Was sprang für dich dabei heraus? Was hat
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