Hexenseelen - Roman
einer unerschütterlichen Ruhe und Gefasstheit, die ihr Halt gab. Sie verbot sich, sich in ihre Verzweiflung hineinzusteigern. Sie musste ihm vertrauen, sich darauf verlassen, dass er keinem erlaubte, ihr Böses anzutun. Solange er auf sie aufpasste, musste sie nur vor ihm selbst Angst haben, vor keinem sonst.
Maria nickte. »Dabei wird der Körper beinahe unzerstörbar. Nur wenn man ihn enthauptet, wird der Dämon seiner Hülle beraubt und somit machtlos.«
Conrad verdrehte die Augen. »Ach, sagt nicht, dass wir uns jetzt mit Schwertern bewaffnen und einen auf Highlander machen müssen. Bitte, bitte nicht!«
Maria grinste. »Ich fürchte, doch. Sollten Oya und der Messias wirklich diese Dämonenträger-Armee auf die Beine stellen, dann sind sie nicht mehr aufzuhalten.«
Conrad furchte die Stirn. Auf einmal wirkte er wirklich alt, als würde die Last der Jahrhunderte ihn niederdrücken.
Er sah Ylva nicht mehr an, vielleicht, damit sie nicht mitbekam, wie schlecht es um sie alle stand. Sein Anblick tat ihr weh. Zu gern hätte sie ihm gesagt, er hätte schon genug Stärke bewiesen, er müsse nicht alles auf sich laden. Aber sie wusste, wie wenig Conrad auf sie hören würde, denn es ging um seinen Clan, seine Leute, seine Verantwortung.
»Wie wollen der Messias und Oya die Dämonen aus dem Schattenreich in die Menschen leiten?«, fragte er. »Ist es nicht eher so, dass die Hexen zwar über das Schattenreich wachen, aber die beiden Welten nicht miteinander vermischen können?«
»Durch ein Hexenkind«, japste Ylva. Im Nu war der Schrecken wieder da. »Dafür brauchen sie ein Hexenkind.«
Er schaute überrascht auf. Sein Blick wirkte scharf, durchdringend. »Bitte? Du weißt etwas darüber? Woher?«
Sie wollte ihn nicht anlügen, aber die Wahrheit zu sagen bedeutete, Alba zu verraten. So entschied sie sich dafür, nur das Allernötigste zu offenbaren. Und zu schwindeln. Ein bisschen. »Schließlich trage ich einen Dämon in mir, den Oya mir verpasst hat. Ein Hexenkind musste dabei in der Nähe sein, es ist das Tor zwischen den Welten.«
»Ganz genau«, bestätigte Maria und lenkte damit die Aufmerksamkeit wieder auf sich. »Das deckt sich mit meinen Informationen. Das Problem ist: Sie haben eins.« Die Nachzehrerin schnaubte verächtlich. »Oya ist
vor etlichen Jahren Mutter geworden. Wie konnten die Illustrierten diese Sensation bloß verpassen?«
»Woher wisst Ihr das?«, bohrte Conrad nach.
»Ich habe mir einen aus den Reihen dieses Messias geschnappt. Der Kerl war nicht sonderlich gesprächig, ich hatte mit ihm meine liebe Müh. Aber am Ende hat er mir doch alles erzählt. Zugegeben, ich musste ihn ein wenig auseinandernehmen. Leider ist von ihm für eventuelle Nachfragen nicht viel übrig geblieben. Oya hat das Ganze anscheinend schon seit Jahrzehnten geplant. Kalis Beseitigung, das Hexenkind, das Auftauchen des Messias … Das Einzige, was sie noch braucht, ist eine zuverlässige Methode, wie der Dämon in einem Körper zu kontrollieren ist. Wenn er die Gefühle anderer Menschen zerfrisst, kann er stärker, unabhängiger werden. Oder der Träger kann die Natur des Dämons bezwingen, wie es zum Beispiel bei Juliane Dwenger der Fall war.«
»Jetzt wird mir einiges klar«, murmelte Conrad und verzog vor Wut das Gesicht. »Deshalb brauchen sie Ylva. Zum Üben. Und sobald sie die Methode perfektioniert haben, geht es ans Fließband.«
Ylva rieb sich die Schläfen. Unruhe trieb sie vorwärts, so ging sie im Raum auf und ab. »Aber warum leiten sie nicht einen anderen Dämon in einen anderen Körper und üben da? Warum jagen sie mich? Ist das nicht viel aufwendiger?«
Maria hob die Schultern. »Da kann ich auch nur Vermutungen anstellen. Vielleicht wollen sie die Dämonen nicht verschwenden. Schließlich geht es hier um eine
Armee. Wer weiß, über wie viele Schattenseelen Oya verfügt. Vielleicht wollen sie dich uns auch nur nicht überlassen, denn somit hätten wir zumindest eine Waffe in der Hand, auch wenn es töricht ist, mit einem Revolver gegen einen Panzerverband anzutreten. Vielleicht …«
Conrad fuhr mit der Hand durch die Luft. »Ylva ist keine Waffe, und sie wird nie als solche benutzt werden. Das steht nicht zur Debatte.«
»Aber …«, setzte Maria an und verstummte, als sie in sein Gesicht sah.
In diesem Augenblick schrillte das Glöckchen über der Tür abermals, und Linnea stürmte herein, aufgebracht und mit geröteten Wangen. Sie funkelte Ylva an und wandte sich schnaubend den beiden
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