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Hexenseelen - Roman

Hexenseelen - Roman

Titel: Hexenseelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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mörderischen Absätze in ihrem Hirn ein zu lebhaftes Bild von einem Sturz und gebrochenen Beinen zauberten. Dafür wanderten drei Paar andere schicke Schuhe in die Tüten und schließlich in Rolands Obhut. Zuletzt wurde ein eleganter Mantel gekauft, in dem Ylva sich wie eine Dame fühlte.
    Bezahlt hatte Alba mit ihrer Karte. An der Kasse erstarrte ihr Gesicht zu einer Maske. »Ich wünschte mir, ich könnte endlich unabhängig werden. Früher lag ich meinen Eltern auf der Tasche, dann Georg und jetzt Adrián.
Drück mir die Daumen, dass ich bald meinen Ausbildungsplatz bekomme.«
    »Was willst du denn machen?«
    »Automechanikerin werden.« Dann sah sie, wie Roland sich durch die Menschenmassen zu ihnen durchkämpfte, und winkte ab. »Jetzt müssen wir etwas mit deinem Haar machen. Ich kenne einen wunderbaren Friseur in der Nähe.«
    Musste das wirklich sein? Skeptisch ließ Ylva sich in Richtung Jungfernstieg schleppen, über die Kanalbrücken und durch enge Gassen, an weiteren strahlend schönen Schaufenstern vorbei.
    In dem Salon wurden sie herzlich empfangen, anscheinend gleich vom Inhaber, der Alba bestens zu kennen schien. Küsschen hier, Küsschen da, »Och!« und »Ach!« - diese übertriebene Freundlichkeit kam Ylva falsch und aufgesetzt vor.
    Gleich darauf wurde sie auf einen Stuhl befördert. Das Treiben um sie herum machte sie irre, sie beschloss jedoch, nicht weiter nachzudenken, was mit ihr geschehen sollte. Die Friseurin verhängte den Spiegel, bevor sie begann, Ylva zu bearbeiten.
    »Dann wird die Überraschung größer«, kommentierte sie.
    Die Zeit verging schleppend, während an ihren Haaren gezupft und geschnippelt wurde und die Büschel zu Boden rieselten. Eine andere Frau malte in Ylvas Gesicht herum, und als sie begann, ihr die Augenbrauen auszuzupfen, stand Ylva kurz davor, der Dame eine reinzuhauen.

    Nach einer gefühlten Ewigkeit ging die Folter zu Ende, und die letzte Strähne wurde trockengeföhnt. Mit einer theatralischen Geste zog die Friseurin das Laken vom Spiegel.
    Zum ersten Mal sah Ylva sich bewusst an, sah das Gesicht einer Fremden.
    Ich bin erwachsen geworden , dachte sie mit Wehmut und musterte ihre dürre Gestalt und die Wangenknochen, die sich deutlich abzeichneten. Ihre Haut hatte den Ton des Milchkaffees, den Alba gerade schlürfte. Die Nase begann schmal, wurde aber zur Spitze hin etwas platter, und wenn sie tief einatmete, blähten sich die Nasenflügel. Die Lippen wirkten füllig - zu füllig für das kleine Gesicht.
    Nur das Haar raubte ihr den Atem. Mit einer Hand kämmte sich Ylva ehrfürchtig durch die langen Strähnen. Es war glatt, dicht und weiß wie Neuschnee, wodurch ihre Haut golden zu schimmern schien. Das Licht der Deckenlampen warf einen glänzenden Kranz auf ihr Haupt. Der Pony reichte über die Brauen, unter denen die grüngrauen Augen hervorfunkelten.
    »Und es ist nicht einmal gefärbt«, raunte Alba ihr zu.
    »Bin ich denn hübsch?« Im Spiegel suchte Ylva Albas Blick. Obwohl sie keine Antwort brauchte, denn sie empfand sich als alles andere als schön, besonders im Vergleich zu ihrer Freundin.
    Alba zögerte, suchte anscheinend nach einer Umschreibung, die nicht kränken sollte, und kränkte Ylva damit umso mehr. »Du bist außergewöhnlich. Glaub
mir. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der wie du aussieht. Und jetzt komm. Roland wird gerade abgelenkt, wir schmuggeln uns durch die Hintertür.«
    Zusammen liefen sie fort. Weiter und weiter, durch unzählige Straßen, die Ylva wie ein Labyrinth vorkamen. Ob Roland schon ihr Verschwinden bemerkt hatte, ob er ihnen folgte? Sie würde es nicht merken, ihn weder riechen noch hören können. Bloß irgendwann seine Anwesenheit spüren, wenn es schon zu spät war.
    Sie rannten weiter. Endlich hielt Alba ein Taxi an, und sie schlüpften ins Wageninnere. Ylva sah durch die Rückscheibe. Kein Roland. Kein Messias, der sie schnappen würde, sobald er die Gelegenheit dazu bekam. Der Gedanke an Conrad bescherte ihr allerdings Bauchzwicken. Er hatte ihr vertraut, und sie - hatte ihn hinters Licht geführt. Zumindest fühlte es sich so an. Ylva verzog das Gesicht. Daran hättest du früher denken sollen , tadelte sie sich.
    »Was ist mit dir?«, fragte Alba, die ihren Gemütszustand bemerkt zu haben schien.
    »Nichts.«
    »Ich sehe doch, dass dich etwas bedrückt.«
    Ylva ächzte. Ihr Haar roch nach Shampoo und Spülung, das Gesicht nach Make-up. Sie kam sich selbst fremd vor, wie in einer Hülle, in die sie nicht

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