Hexenseelen - Roman
Sie schnappte nach Luft. »Alles nur deinetwegen! Du hast ihm den Kopf verdreht. Du versuchst, einen Keil zwischen uns zu treiben. Miststück!«
»Beruhige dich. Wir müssen hier weg, Conrad …«
»Conrad gehört mir! Lass deine dreckigen Pfoten von ihm!«
Ylva seufzte. »Conrad gehört niemandem.« Sie knöpfte ihren neu gekauften Mantel auf, zog ihn aus und legte ihn Linnea um die Schultern. »Lass uns gehen.«
»Fass mich nicht an!« Linnea schlug Ylvas Hände beiseite und schüttelte sich, als hätte die Berührung sie angewidert. »Was findet er bloß an so einer erbärmlichen Kreatur wie dir? Womit hast du ihn hypnotisiert? Sag es mir!« Plötzlich glättete sich ihr Gesicht, die Züge wurden weich. Sie wischte die Tränen fort und richtete sich auf. Ein dünnes Lächeln huschte über ihre Lippen. »Was ist bloß in mich gefahren? Fast hätte ich vergessen, wer ich bin.«
Mit einem Ruck warf sie sich auf Ylva und riss sie um. Ylvas Hinterkopf prallte gegen den Boden, und für einen Augenblick glaubte sie, Sterne zu sehen. Diese Sekunde der Unachtsamkeit reichte aus. Linnea packte sie an den Haaren und presste sich ihr Gesicht zwischen die Brüste.
»Du bist es, die sich beruhigen soll, mein Kindchen. Ganz recht.«
Ylva roch den Schweiß und Linneas Duft, erstickte fast daran und versuchte, sich aus Linneas Griff zu winden. Vergebens. Ihre Bewegungen wurden schwerfällig, ihre Gedanken - träge. Sie kämpfte nicht mehr, sondern zuckte wie eine Fliege, die in einem Glas Sirup ertrank. Auf einmal wusste sie nicht mehr, warum sie sich wehrte, was überhaupt geschah. Nur, dass die Königin sie im Arm hielt und ihr Gnade versprach.
»Alles wird gut, mein Kleines«, zischelte es über ihrem Kopf. »Ich bin deine Königin. Dein Wohlergehen liegt mir sehr am Herzen. Ich werde dich retten, vor … vor einem bösen, sehr bösen Mann, der es auf dich abgesehen hat. Vertraue mir.«
Ylva sog den Duft in sich ein. Immer tiefer, immer gleichmäßiger wurde ihr Atem. Ihr Herz hörte auf zu rasen. Unter dem Schleier der Benommenheit glaubte sie ihre eigene Verzweiflung zu erkennen, doch auch diese schwand, und zurück blieb allein der Frieden, mit dem die Königin sie beschenkte. Ein Name erglomm in ihren Gedanken - Conrad! - und verlor an Bedeutung.
Sie befand sich bei ihrer Königin, und die Königin liebte sie. Was brauchte sie mehr? Sie hatte sich doch so sehr gewünscht, geliebt zu werden. Von … schon war ihr entfallen, wessen Liebe sie sich so ersehnt hatte. Nein, nicht entfallen, sondern wieder eingefallen: Linneas, natürlich. Nur das war wichtig.
»Hör mir zu, mein Mädchen.« Linneas süßliche Stimme floss durch ihr ganzes Wesen. »Du musst dich in Acht nehmen. Vor den Totenküssern. Ganz besonders vor
Conrad. Er ist gefährlich. Er will dir Böses. Hast du mich verstanden?«
Ylva nickte. »Ja, meine Königin.« Ihr Körper fühlte sich weich an, wie warmes Wachs. Sie konnte sich nicht mehr halten und hing schlaff in den Armen ihrer Gebieterin.
»Du musst dich von ihm fernhalten.«
»Ich muss mich von ihm fernhalten.«
Erst nach und nach kam wieder Kraft in ihre Gliedmaßen.
»Gut so, mein Kleines. Das machst du ganz brav.« Linnea ließ Ylva los und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. »Wie gut, dass ich in der Nähe war und dich gewarnt habe. Sonst wärst du direkt in die Falle dieses Totenküssers getappt. Vergiss das nie! Ich habe dich gerettet.«
»Danke, meine Königin.«
»Und jetzt komm mit.« Sie zog Ylva an der Hand hoch, dann zur Tür und hinaus auf die Straße. Mit einer Geste deutete sie auf zwei Männer, die ein wenig abseits standen und etwas zu besprechen schienen. »Ich möchte wissen, worüber diese Bestie mit Roland redet. Kannst du ihn hören?«
Ihre Ohren zuckten. Ylva neigte den Kopf zur Seite und lauschte. »Ja, meine Königin.«
»Linnea kann sich nicht unter Kontrolle halten«, sagte Roland gerade. »Sie ist ein Metamorph, durch den Sex ist sie der Hexe verfallen. Wir müssen uns darum kümmern, dass es aufhört. Sonst sind wir nirgends vor dieser Mächtigen sicher.«
»Ich werde Sorge dafür tragen, dass Linnea nicht aus den Augen gelassen wird«, erwiderte der andere. Conrad. Der böse Mann.
»Das wird nicht ausreichen. Wenn wir aber ihr Seelentier …«
»Nein.«
»Aber …«
»Nein. Sie und ihre Metamorphe sind zurzeit ein Teil des Clans. Sie steht unter meinem Schutz, wie auch Sie, Roland, oder jeder andere, der zu uns gehört.«
»Sie ist eine falsche
Weitere Kostenlose Bücher