Hexenseelen - Roman
Güte, wonach sieht es denn aus? Ich koste von meiner Papaya.« Mit der Grazie eines Raubtiers
erhob sie sich, betrachtete ihre Hand, die sie in Linneas Spalte getunkt hatte, und leckte sich die Finger genüsslich ab. »Oder möchtest du mitmachen, mein Süßer?«
Er antworte nicht, sondern sah sie wie versteinert an. Sie war nackt, absolut nackt und überall blank rasiert, was ihre Haut im schummrigen Licht der Straßenlaternen ölig schimmern ließ.
Linnea kam langsam zu sich. Erst jetzt registrierte sie Conrad und keuchte erschrocken auf. Mit hektischen Bewegungen raffte sie ihre Kleiderfetzen zusammen und versuchte, ihre Blöße zu bedecken.
»Es ist nicht so, wie du denkst«, stammelte sie und sah mit verstörtem, glasigem Blick von einem zum anderen.
Die Unbekannte hörte endlich auf, sich die Finger abzulecken, und wischte sich mit dem Daumen über die Lippen, als wollte sie sich vergewissern, auch jeden Tropfen aufgenommen zu haben. »Ja, was denkst du dir jetzt, Conrad? Ach, vielleicht erkennst du mich gar nicht? Wie dumm von mir, natürlich. Darf ich mich vorstellen? Oya. Die Zerreißerin.«
Als er wieder nichts sagte, zuckte sie enttäuscht mit den Schultern. »Nun ja. Gesprächig und richtig amüsant warst du noch nie.« Ihr Blick schweifte umher und blieb an Ylva haften. »Na endlich. Du hast sie gefunden und zu mir gebracht, wie nett von dir. Tja, auch die Dämonen sind heute nicht mehr das, was sie einmal waren. Absolut kein Verlass auf die Biester.«
Oya ging auf sie zu. Ylvas Inneres begann zu vibrieren, doch diese Vibration ging nicht von ihr aus, sondern von
dem Dunklen in ihrem Leib. Es musste der Mächtigen gehorchen. Aber … es weigerte sich?
»Komm mit, mein Mädchen. Wir warten schon alle auf dich.«
Conrad verstellte der Hexe den Weg. Immer noch verlor er keinen Ton. Sie hob den Arm, wollte ihn wie einen lästigen Vorhang, der ihr die Sicht versperrte, beiseiteschieben, als er ihr mit einer solchen Wucht ins Gesicht schlug, dass sie zu Boden ging.
Erst nach mehreren Atemzügen fand Oya, sichtlich schockiert von diesem Angriff, wieder zu sich. Die Hexe spuckte ein Stückchen von einem Zahn aus und leckte sich über ihre aufgeplatzte Lippe. Das Lächeln, das sie dabei aufsetzte, wirkte grotesk. »Du schlägst Frauen?«
»Und rede mit Pflanzen und rasiere mir die Achselhaare. Wollen Sie noch irgendwelche pikanten Details über mich wissen? Wenn nicht, dann sollten Sie lieber verschwinden, bevor ich anfange, einige Frauen hier zu töten. Denn Ylva bleibt bei mir.«
»Glaubst du wirklich, du bist einer Mächtigen gewachsen?« Langsam und voller Stolz kam Oya auf die Beine. Als sie erneut die Hand hob, geschah das nicht mehr so lässig wie vorher. Ihre Finger erinnerten an die Krallen eines Vogels, als sie sie Conrad in die Schulter schlug. Er zuckte fast unmerklich zusammen, nur für einen Sekundenbruchteil verzerrte der Schmerz seine Züge. »Soll ich dich das Fürchten lehren? Wenn ich jetzt den Fluch von dir nehme, zerfällst du zu Staub. Deine Seele wird vom Schattenreich verschluckt und bis in alle Ewigkeiten mir
gehören. Denn ich bin es, die aus dir einen Untoten gemacht hat.«
»Ja, das habe ich schon gehört«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Aber auch, dass eine Mächtige nichts tun kann, wenn sie zuvor nicht darum gebeten wurde, ob laut oder in verborgenen Wünschen. Und ich habe noch nie den Drang verspürt abzutreten. Das ist so ein Tick bei uns Verfluchten. Wir hassen, wir wüten und morden, aber hängen doch irgendwie an dieser Welt. Mal sehen, ob Sie immer noch einen guten Draht zu mir haben.«
Es roch verbrannt, Ylva sah sich um, doch sie konnte die Quelle nicht lokalisieren. Oya grub die Finger noch fester in sein Fleisch. Plötzlich ging ein Zittern durch ihren Körper, ihre Miene entgleiste, und sie taumelte zurück.
»Du verfluchtes Aas!«, schrie sie, und ein heißer Windstoß fegte durch den Laden und warf einige Pflanzen von ihren Podesten. »Du Leichenplage! Denkst du wirklich, du hast gewonnen? Meine Leute werden dich kriegen, viel früher, als du denkst, verlass dich drauf …«
»Ja, ich finde auch, dass das Wetter unglaublich mild für diese Jahreszeit ist. Wollen wir diese sinnlose Konversation nicht langsam beenden? Ich habe noch viel zu tun. Und Sie kennen das bestimmt: Ehe man sich’s versieht, ist die Ewigkeit schon rum, und man hat nicht einmal die Blumen gegossen.«
Oya schnaubte. »Wir werden uns zurückholen, was uns
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