Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)
vorsichtig in kleinen Rechtecken abtragen und die Rasenziegel übereinander stapeln. Dann würde er jeden Tag Schicht um Schicht tiefer graben und mit der ausgehobenen Erde gleich um die ganze Grube herum einen Erdwall aufschütten. Danach die dünnen Wurzeln abhacken, den Strauch herausholen und erst einmal irgendwo ablegen, in Stücke schneiden konnte er ihn später immer noch. Schließlich die Erde feststampfen, mit Plastikfolie aus dem Baumarkt auskleiden, ein paar Steine zur Befestigung drauf, den Erdwall mit den Rasenziegeln bedecken – und dann brauchte er nurnoch Wasser einfüllen, Seerosen und Goldfische besorgen, und fertig wäre sein Gartenteich! Er hatte noch zehn Tage Urlaub, in dieser Zeit müsste das doch zu schaffen sein.
Okay, dachte Wagner, man muss Prioritäten setzen. In den nächsten Tagen würde nicht anderes mehr für ihn wichtig sein. Nicht seine Mutter, nicht das Haus, und schon gar nicht der Fall Moser und die vermissten Mädchen. Nur die Arbeit an seinem Kindersommer-Urwald-Traumteich. Ja, und natürlich Chris.
S ie durfte ihn keinen Augenblick aus den Augen lassen. Musste ganz genau beobachten, was er tat. Denn das war alles so sonderbar, so rätselhaft, so bedrohlich. Da war irgendein Unheil, das auf sie zukam, irgendeine Gefahr, die sich hinter allem verbarg, was er machte. Sie musste vorsichtig sein und höllisch aufpassen. Dieses eigenartige Verhalten, das er plötzlich an den Tag legte, verhieß nichts Gutes.
Warum behandelte er sie auf einmal so ganz anders als bisher? Als ob es ihn überhaupt nicht interessierte, wie es ihr ging. Sie war doch seine Mutter. Da konnte sie von ihm doch wenigstens erwarten, dass er ihr ein bisschen Zeit schenkte. Aber er hatte sie nicht einmal richtig begrüßt und war gleich in den Garten verschwunden, nachdem er ihren Kühlschrank mit diesem scheußlichen Fertigzeug vollgestopft hatte. Als wäre sie ein Hund, bei dem es genügt, dass man ihn mit Futter versorgt. Was sollte das? Wollte er sie fertig machen, indem er sie ignorierte? War das ein neues Spiel, das er mit ihr trieb, um sie aus dem Haus zu ekeln? Er war so bösartig, Gott, so bösartig! Mit allen Mitteln versuchte er zu erreichen, dass sie selber glauben sollte, sie hätte den Verstand verloren. Erst neulich hatte er im ganzen Haus Weihnachtsschmuck aufgehängt. Jetzt, mitten im Sommer! Hatte wohl gehofft, sie würde darauf hereinfallen und im Juni Weihnachtskarten verschicken. Aber den Gefallen hatte sie ihm nicht getan. Sie hatte nicht vor, sich zum Gespött der Leute zu machen. Oder sich für verrückt erklären zu lassen, für unzurechnungsfähig und senil. Darauf konnte er lange warten.
Wenn sie nur wüsste, was er jetzt wieder im Schilde führte. Wastrieb er da draußen im Garten? Wieso grub er den Holunderstrauch aus und versuchte, ihn aus der Erde zu reißen? Dieser Strauch war doch etwas ganz Besonderes, hatte er das vergessen? Er war doch dabei gewesen, hatte zugeschaut, als Ludwig diesen Strauch gepflanzt hatte, damals, als Julia auf die Welt gekommen war. Julias Holunderstrauch! Julias Lebensbaum! Wochenlang hatte Klaus mit seiner Spielzeuggießkanne Wasser herangeschleppt und den Strauch gegossen, bis ihm Ludwig die Kanne weggenommen hatte, weil die Wurzeln des Strauchs sonst im vielen Wasser verfault wären, und Klaus hatte deswegen geheult wie ein Schlosshund. Daran musste er sich doch noch erinnern. Wieso ging er dann jetzt auf den Holunderstrauch mit dem Spaten los und riss an seinen Wurzeln, als hätte er ihm etwas getan? Und wenn sie hinausliefe, um ihn davon abzuhalten, würde er dann vielleicht sogar wieder auf sie losgehen?
Maria Wagner hatte Angst. Was würde noch alles geschehen, was würde sie noch alles ertragen müssen? Am liebsten hätte sie jetzt geschlafen. Geschlafen und alles vergessen. Doch das durfte sie nicht. Sie musste Acht geben. Wachsam musste sie sein, weil man ihr sonst alles wegnehmen würde, was sie noch hatte. Denn sie waren böse, alle waren sie böse. Böse, gierig und verschlagen. Und allen voran ihr Sohn.
Wer war die Frau, mit der er jetzt sprach? Was hatte die in ihrem Garten zu suchen? War das schon wieder so eine Pflegerin, mit der er sie quälen wollte? Berieten sie gerade, wie sie es anstellen konnten, an ihr Geld zu kommen? Das Geld, das sie seit Jahren zur Seite gelegt hatte. Eine Menge Geld. Altes Geld, das noch etwas wert war. Eine ganze Schachtel voll, und die hatte sie gut versteckt, niemals würden sie die finden, garantiert
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