Hexenspiel. Psychokrimi: Ein Psychokrimi (German Edition)
Lachgesicht gekritzelt.
Als Wagner zu Christina kam, war sie schon im Schlafanzug. Ein minzgrüner Plüschpyjama mit leicht ausgeleierten weißen Bündchen, alles andere als aufreizend. Aber auf Wagner wirkte er verführerischer als das raffinierteste Negligé. Und zwar einfach deshalb, weil es der Pyjama war, den er Christina vor Jahren geschenkt hatte. Eine rote Kaffeetasse und ein minzgrüner Plüschpyjama, das war eben die Art von Geschenken, die sie einander gemacht hatten. Hin und wieder eine Schachtel Mon Chéri, aber das war dann auch schon das Höchste an Romantik gewesen. Und Blumen hatte er ihr eigentlich nie gebracht. Deshalb war Christina auch ziemlich überrascht, als er ihr den Strauß überreichte.
„Wahnsinn, Blumen! So kenn’ ich dich ja gar nicht, Klaus!“
„Na, dann wird’s ja höchste Zeit, oder?“
„Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal Blumen bekommen hab. Muss schon ewig her sein.“ Sie schnupperte an den Rosen. „Echt süß von dir. Aus dem Garten?“
„Na ja, sozusagen. Als Erinnerung, dass du immer willkommen bist.“
„Das ist lieb. Danke, Klaus. Aber setz dich doch. Ich stell nur noch schnell die Blumen ins Wasser.“
Wagner setzte sich aufs Sofa und blickte sich in dem kleinen Zimmer um, während Christina nebenan in der Kochnische Wasser in ein großes Glas laufen ließ. Soviel er erkennen konnte, bestand die Wohnung nur aus Zimmer, Küchenabteil, Bad und einer kleinen Loggia. Sie lag direkt an einer Einfahrtsstraße im Erdgeschoß eines Wohnblocks aus den Sechzigerjahren, und selbst durchs geschlossene Fenster war der Autoverkehr zu hören. Die spärliche Einrichtung sah noch ziemlich neu aus, ein niedriger Couchtisch, ein Schrank und zwei Schubladenkommoden, alles aus einem Billigmöbelgeschäft. Auf der einen Kommode stand ein kleiner Fernsehapparat. An einer Wand hing ein gerahmter Kunstdruck, auf dem das mit kräftigen schwarzen Strichen konturierte Gesichteines traurigen Clowns zu sehen war. In einer Ecke lehnte ein zusammengeklapptes Bügelbrett, und davor stand ein voller Wäschekorb aus rotem Plastik.
Christina stellte auf die zweite Kommode ein großes Bierglas, in das sie die Blumen gegeben hatte.
„Nicht einmal eine richtige Vase hab ich. Aber die Blumen sind wunderschön, Klaus.“
„Ist doch ganz okay so.“
„Na ja, ich weiß nicht.“ Sie zupfte ein bisschen an den Blumen herum und arrangierte sie neu. Dann ging sie wieder in die Küche. „Kaffee, wie ich dich kenne?“
„Oh ja, gern, bitte.“ Wagner fühlte sich eigenartig nervös, aber er wusste nicht, warum. „Schenkst du mir eine Zigarette, Chris?“ „Klar. Liegen auf dem Tisch.“
Er zündete sich eine an, rauchte sie, aufrecht und angespannt auf der vorderen Sofakante sitzend, und lauschte dem Verkehrslärm, in den sich aus der Kochnische das leise Scheppern von Geschirr mischte. Er hätte gern irgendwas gesagt, zum Beispiel über den Plüschpyjama und wie er sich darüber freute, dass Christina ihn anhatte, aber das kam ihm dann doch irgendwie albern vor, und deshalb sagte er nichts und starrte wieder einmal nur schweigend Christinas Zigarettenkippen im Aschenbecher an.
„Müde, Klaus, oder geht’s dir nicht gut?“ Christina sah Wagner besorgt an, während sie ein mit Tellern, Tassen und Besteck vollgeräumtes Tablett auf den Couchtisch stellte.
„Nö, wieso?“
„Weil du seit fünf Minuten kein Wort gesagt hast.“
„Wirklich? Entschuldige. Aber mir geht’s gut.“
„Hunger?“
„Eigentlich auch nicht.“
„Schade. Ich hab gehofft, du hilfst mir dabei, diese Torte zu vertilgen. Allein schaff ich das nämlich nie.“ Christina stellte einen Teller mit einer riesigen Schwarzwälderkirschtorte auf den Tisch.
„Die ist heute Nachmittag bei der Geburtstagsfeier übrig geblieben. War einfach zu viel für die alten Herrschaften, und da haben sie mir die Torte geschenkt. Sozusagen als extra Trinkgeld. Rührend, nicht?“
„Tja“, sagte Wagner und grinste, „dann dürfen wir das gute Stück wohl nicht verkommen lassen, was?“
„Weißt du noch, wie wir um die Wette Pizza gegessen haben?“ „Oh Gott, erinner’ mich nicht daran! Aber ich hab gewonnen.“ „Hast du nicht.“ „Doch, hab ich!“
Kurz nach Mitternacht waren von der Schwarzwälderkirschtorte nur mehr ein paar Krümel übrig. Sie hatten sich über die Torte hergemacht, und das meiste hatte Wagner gegessen. Und sie hatten sich über ihre gemeinsame Zeit hergemacht, und an das meiste hatte sich
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