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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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Er hätte auch den schmalen Teerweg bis nach hinten zum kleinen Wäldchen fahren können, wo sich das Tierheim hinter Büschen und Bäumen versteckte. Doch er wollte sogleich das weitere Umfeld des Tatortes in Augenschein nehmen. Außerdem war er neugierig auf die Gärten und Gärtchen links und rechts des Fahrwegs. Er war im Zweifel darüber, ob er den Koffer gleich mitnehmen sollte, entschied sich dafür, erst einmal nur die Kamera umzuhängen. Einige Sekunden blieb er noch stehen und lauschte in sich hinein. Alles war in Ordnung und zu seiner eigenen Überraschung war er gar nicht aufgeregt. Jetzt hatte er Zeit für das, was ihn umgab.
    Vom Zecher Hafen und vom Campingplatz war sommerliches, entspanntes Kindergeschrei zu hören. Aus dem Fleckenteppich der Gärten mischte sich das Knattern von Rasenmähern. In nächster Nähe, hinter einem Schilfzaun, harkte jemand Beete und an irgendeiner der unzählbaren Gartenlauben wurde gehämmert. Von hinten, aus dem Wäldchen, kam Hundegebell. Eine unaufgeregte Geräuschkulisse. Im Grunde genommen war wenig los, was an der Hitze lag, die viele dazu veranlasste, das Gartenglück im Schatten von Pergolen, Sonnenschirmen oder Sonnensegeln still zu genießen und auf Arbeiten, so sie nicht dringend waren, zu verzichten. Erich Gommert lief durch das Spalier unterschiedlicher Weltanschauungen, die sich in der Gestaltung der Gärten Ausdruck verschafften. Er passierte Steingärten, Miniatursammlungen skurrilster Elfen- und Gnomgestalten, Fengshuikonzepte, Zen-Flächen auf zwanzig Quadratmetern und ordnungslose Blütenparadiese. Schon fast am Tierheim angekommen, an einem der letzten Gärten, ließ ein besonders freizügiger Gartenbesitzer einer Kletterrose alle Freiheiten. In wilden Kreiseln hatte sie das eiserne Gitter erklommen und die Kletterhilfe beidseits des Tors unter dichtem, stacheligem Gehölz verschwinden lassen. Aus Hunderten Blüten schickte sie einen leuchtend roten Akzent in den immer grauer werdenden Himmel, unter dem sich ein Gebräu aus Dampf und Hitze sammelte. Noch intensiver als das leuchtende Rot war der süße Duft, der in unsichtbarem Schwall zwischen Zweigen und Stämmen hing, sich über den Weg ergoss und jeden Menschen innehalten und genießen ließ. Nur die Radler, die von Bregenz her kamen und in die Abzweigung am Tierheim schossen, hatten keinerlei Blick für die Schönheiten. Sie mussten ihr Kilometersoll erfüllen und rasten um den See. Die Zeit hielten sie nicht an. Erich Gommert musste einen Sprung auf die Seite machen, um von einem der raumfahrtähnlich ausgestatteten Kilometerfresser nicht umgefahren zu werden. Er fluchte der Gruppe nach und erschrak, als ihn eine Stimme hinter dem Rosenbusch ansprach:
    »Do braut sich ein trümmer Gwitter zusammen, mein ich emol.«
    Erich Gommert gewahrte zwischen Zweigen, Blättern und Blüten eine bloße Schulter, einen breitkrempigen Hut und einen skeptischen, gen Himmel gerichteten Blick.
    »Wird auch Zeit, dass emol kracht. No ist die Hitz beim Deifel. Is ja noch lang gnug Sommer«, meinte Gommert.
    »Mhm«, kam es bedächtig von hinten.
    »Schöne Rosen, wunderschön, und der Duft …«, lobte Erich Gommert.
    »Compassion, ein Kletterwunder«, lautete die Antwort, »alte Sorte, macht keine Arbeit, nur Freude.«
    »Wie es halt mit dem alten Zeug so ist«, krähte Erich Gommert.
    Beide lachten. Dann kam die Frage: »Spazieren?«
    »Nein, nein. Spazieren … schön wär’s. Ich muss ins Tierheim hinter«, und nach einer Pause fügte er etwas ernster hinzu, »dienstlich.«
    »Oha! Dienstlich. Kontrolle vielleicht?«
    »Nein. Da ist einbrochen worden und ich muss des nun anschauen und aufnehmen.«
    »Oha! Einbrochen … im Tierheim. Von der Polizei also?«
    »Schon«, bestätigte Erich Gommert und fragte: »Sie sind ja bei dem herrlichen Wetter sicher viel hier draußen. War vielleicht was Auffälliges hier die letzten Tage?«
    Durch den Rosenbusch war ein nachdenkliches Brummen zu hören. »Nee. Also mir haben da nichts mitbekommen. Hätten mir ja gleich die Polizei geholt, gell. Aber heut Nacht, es ist ja so, bei derer Hitz, da wird der Garten hier zur zweiten Heimat, gell, also heut Nacht, da war so nach Mitternacht ein ganz komisches Geschrei da hinten im Holz, gleich hinter dem Tierheim. Ich wollte schon mit der Taschenlampe nachschauen gehen, aber meine Frau … die hat gemeint, dass mir des ja nichts angeht und nach einer Weile, da war des dann auch rum. Waren sicher ein paar Viecher, die sich in

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