Hexenstein
d’Hoor kriegt ham.«
»Vom Tierheim her ist des kommen?«, fragte Erich Gommert nach.
»Nein, schon eher da aus dem Holz, wegwärts vom Tierheim.«
Erich Gommert wechselte noch ein paar Sätze übers Wetter, dankte für die Auskunft, lobte den Rosenbusch zum wiederholten Male und ging weiter zum Tierheim.
Die Frau, die ihn dort empfing, führte ihn umgehend zur aufgebrochenen Türe am Zaun. An der schmalen Holzfassung war die Stanzmarke des Aufbruchwerkzeugs zu sehen. Die Messung ergab zwei Zentimeter Breite. Ein kleiner Meißel vielleicht?
Der Riegel war gebrochen und die Teile hingen lose herum. Mehr war nicht zu sehen. Erich Gommert machte ein paar Fotos; die Stanzmarke würde er später mit Silikon abnehmen. Die Frau, die stumm sein Tun verfolgte, leitete ihn anschließend zum Bürogebäude. Der Weg führte an einem Zwinger vorbei, in dem ein Rudel bunt gemischter Hunde einander bebellte und spielte. Eine kleinwüchsige Schäferhundmischung tat sich besonders hervor. Großmaul, dachte Gommert, und sein Blick traf auf einen der Hunde, der etwas schüchtern abseitsstand. Ein schmales Tier mit hohen Beinen, braunem Fell, einigen weißen Flecken und einem interessierten Blick. Er schien noch nicht dazuzugehören. Für einen kurzen Augenblick wendete das Tier den Kopf und sah Erich Gommert tief in die Augen, dann sprang es mit halbem Mut ein paar Schritte auf das tobende Knäuel zu, um sich dann doch wieder für Zurückhaltung zu entscheiden. Gommert lächelte und folgte seiner Betreuerin.
Auch die Türen am Gebäude waren aufgehebelt worden. Während er die Aufbruchspuren begutachtete, schimpfte die Frau über die besoffenen Idioten, die so etwas machten.
»Wieso besoffene Idioten?«, fragte er.
»Na, wer bricht denn für nichts und wieder nichts Türen auf? Und wer bitte nimmt sich ein Tierheim vor … muss doch besoffen gewesen sein. Hier ist doch nichts zu holen, was Wert hätte.«
»Ist gar nichts geklaut worden?«
»Nichts. Kein Futter, keine Getränke, der Kühlschrank drinnen war auch noch gefüllt. Stehen ein paar Wein drin und Geld gibt’s hier sowieso nicht.«
»Auch nichts weiter kaputt als die Türen?«
»Nichts. Zwei Katzen fehlen, aber da sind wir uns nicht sicher, ob es nicht vielleicht ein Versehen von uns gewesen sein kann. Kommt schon mal vor, dass nicht richtig geschlossen ist, außerdem sind es zwei Streuner.«
»Mhm. Katzen«, stellte Erich Gommert fest.
»Ja. Zwei ausgewachsene, schwarze Katzen.«
»Ist so was schon mal vorgekommen?«, fragte er.
»Nein, kann ich mich nicht erinnern. Bin jetzt schon über fünfzehn Jahre hier, aber eingebrochen … nein … das hat’s noch nie gegeben.«
Sie gingen wieder zurück und am Zwinger angekommen, deutete Gommert auf den braunen Scheuen. »Was ist das für einer?«
»Oh, der ist erst seit ein paar Tagen hier. Muss sich erst noch eingewöhnen. Straßenhund aus Rumänien.«
»Aber ein schönes Tier«, stellte Erich Gommert fest.
»Ja. Sehr schön. Wird nicht lange hier sein, so wie er aussieht. Die ruppigen Quadrate mit dem filzigen Haar haben es da schwerer jemanden zu finden.«
Erich Gommert nahm noch einen Blick in das Augenpaar, das ihn ansah, verabschiedete sich und sagte, dass er wegen des Abdrucks an der Außentüre noch einmal kommen würde.
Sie nickte wortlos, wobei zu ahnen war, dass sie sich fragte, aus welchem Grund er so einen Aufwand betreiben würde. Es käme ja eh nichts heraus, bei der Sache. Einbruch im Tierheim. Pah! Besoffene Idioten.
Erich Gommert schlug sich hinter dem Ausgang gleich nach rechts in das kleine Grenzwäldchen und nahm die Richtung, die ihm der Rosenliebhaber vorher angegeben hatte. Was konnte derart schreien, dass ein Gartler in der Nacht mit der Taschenlampe losziehen wollte, ihn seine Frau aber daran hindern wollte?
*
Im Besprechungszimmer hing der würzige Duft von Kaffee. Jürgen und Tamara Haubacher saßen über Eck am Tisch. Neben ihr, an der Längsseite, saß ihr Anwalt. Ein Dr. Müller, wie Robert Funk herausgefunden hatte, als der mit großen Augen in Funks Büro geblickt hatte. Der alte, voluminöse Schreibtisch dort, die Ölgemälde an der Wand, der Perser am Boden und das Serviertischchen, etwas in die Ecke gerückt, mit den Flaschen, all das musste ihm vorkommen wie im Film.
Funke wusste auch schon, wem die anwaltliche Begleitung zu danken war – dem Vater von Tamara Haubacher.
Dr. Müller war aus München und führte ein dementsprechend loses Mundwerk.
Funk und Schielin
Weitere Kostenlose Bücher