Hexenstein
dankbar.
Robert Funk machte weiter. »Also angenommen, deine Vermutung stimmt. Welche Bedeutung hätte denn die Erkenntnis, dass Carmen Lasalle in Wirklichkeit diese Helen ist, für den Mord an Gundolf Kohn?«
Schielin faltete die Hände und ließ sein Kinn langsam auf die Hände sinken. Genau das war die Frage, die ihn selbst so sehr beschäftigte und auf die er noch keine befriedigende Antwort gefunden hatte. »Wenn es so sein sollte, haben wir völlig neue Voraussetzungen in dem Fall. Mir wäre es ja auch lieber, wir könnten den Fall mit den Haubachers abschließen und sicher sprechen alle Fakten gegen sie. Beide sind, jeder auf seine Art, üble Zeitgenossen. Ich habe aber so ein Gefühl, dass hinter allem etwas ganz anderes steckt als banale Gier nach Geld oder einem Buch. Alles ist so komisch, die Hitze, diese Feuer …«, er unterbrach und es war zu sehen, dass er mit sich selbst im Zweifel war. Er war auf der Suche nach den richtigen Worten, um sein Gedankengerüst zu erklären, als sein Telefon läutete. Aus den Augenwinkeln erkannte er Jasmin Gangbachers Handynummer auf dem Display. Er nahm ab und meldete sich.
Robert Funk war gerade etwas über andere Identitäten eingefallen, und er erzählte den anderen derweil mit unterdrückter Stimme die Geschichte vom Komponisten Fritz Hummel, dessen Kompositionen bei der Kritik regelmäßig fürchterlich verrissen wurden. Hummel dachte sich fürderhin abenteuerliche russische Namen aus, gab ihnen einen möglichst absurden Lebenslauf und veröffentlichte seine Kompositionen unter diesen Legenden. Das Ergebnis war, dass die gleichen Kritiker, die seine Werke zuvor verrissen hatten, völlig euphorisch von der russischen Neuentdeckung berichteten. Von dem Zeitpunkt an, als der Schwindel aufflog, hatte Hummel seine Ruhe vor Kritikern. Robert Funk sah zu Schielin, der leise mit Jasmin Gangbacher sprach, und nahm seine Ahnung von vorher wieder auf. »Besteht denn die Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen dieser anderen Identität der Carmen Lasalle, den Blutkreuzen, den Feuern und diesem Beschwörungsbuch, das aus dem Haus Kohn verschwunden ist, und auf das die gesamte Hexenwelt so scharf ist wie der Teufel auf die arme Seel.«
Schielin legte langsam das Handy weg und schüttelte den Kopf. Was er gerade von Jasmin Gangbacher erfahren hatte, schuf völlig neue Voraussetzungen. Mit wenigen Worten erklärte er, auf welchen Namen Jasmin Gangbacher gestoßen war.
»Nora Seipp?«, fragte Lydia Naber überrascht, »wie kommt die denn plötzlich ins Spiel?«
Schielin berichtete in groben Zügen von den Hufeisen aus der Voglerschen Hammerschmiede und von dem Flyer mit Nora Seipps Text. Und er erzählte davon, dass Jasmin Gangbacher aus dem Bereich eines okkulten Zirkels im Allgäu die Information erhalten hatte, dass seit einiger Zeit eine Zaubermeisterin in Lindau wirke. Der Zugang zu dieser Person sei nicht einfach zu erhalten. Man erzähle aber von einer Frau mit roten Haaren.
Lydia Naber zog die Stirn in Falten und zog eine Grimasse. Sie sahen sich wortlos an und waren sich stumm darüber einig, dass das alles kein Zufall war.
»Dieses Buch, von dem Brüggi sprach«, brach Lydia Naber das Schweigen, »diese Sieben Martern … hast du nicht erzählt, Brüggi hätte gesagt, er könne sich gut vorstellen, dass es Menschen gäbe, die für dieses Buch morden würden?«
Schielin bejahte.
»Wäre es denn vorstellbar, dass diese Nora Seipp ihn getötet hat, um in den Besitz des Buches zu gelangen?«
»Also ich halte in diesem Fall inzwischen alles für möglich«, klang es fast ein wenig resigniert.
»Tsss … jetzt wird es ja auch wirklich verrückt. Hexenmeisterin in Lindau, ein Zauberbuch … Kimmel wird durchdrehen«, schnaufte Wenzel.
»Dann könnte sie das doch mit diesen Blutkreuzen gewesen sein … und die Sache mit der toten Katze an deinem Haus ….«, meinte Lydia Naber.
Wenzel meldete sich wieder zu Wort. Ihm ging dieser Hexenkram aus ähnlichen Gründen wie Kimmel gegen den Strich und er fuchtelte dazu mit den Armen in der Luft herum, um seine Verwirrung auszudrücken. »Gut, gut, gut, okay – Weiß ist nicht mehr Weiß, die Nacht ist der Tag, und Hexen fliegen zwischen Reutin und der hinteren Insel Stadtbusersatzverkehr … aber was bitte, ist nun wirklich mit unserem Traumpaar aus der Firma Nichtsnutz und Ische? Identität hin oder her – die haben ein Motiv, sie waren am Tatort, haben die Leiche versteckt, sich selbst dabei fotografiert, der
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