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Hexenstein

Hexenstein

Titel: Hexenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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können, diese Verbindung der Dinge übersehen zu haben. Aber Robert Funk hatte Wissen, und er, Conrad Schielin, hatte Wissen. Und erst jetzt waren ihrer beider Kenntnisse durch ein schlichtes Formblatt zueinandergekommen. Es war ein Name, der da stand und ihn elektrisierte.
    Lydia Naber saß am Bildschirm und begann Spurenberichte zu tippen. Er hockte stumm gegenüber und sagte keinen Ton. Er musste erst alles zu Ende gedacht haben, bevor er etwas sagte. Es war wichtig, Dinge zu Ende gedacht zu haben, bevor man sie in die Welt entließ.
    Plötzlich stand er auf und verließ das Büro. Er konnte so nicht denken, jedenfalls nichts zu Ende denken, und brauchte nun Bewegung, um einen Plan, eine Strategie zu entwickeln. Seine Kollegin hatte ihm verwundert nachgesehen.
    Er war schweißgebadet, als er zu Hause ankam.
    Albin Derdes stand vor dem Haus und rauchte Overstolz. Er war ein wenig verschnupft darüber, dass sein Nachbar ihn einfach so stehen ließ und schnurstracks zusah, mit Ronsard vom Hof zu kommen, nachdem er ihm doch so ausführlich die Frage nach Erna Kinkelin und ihrem Mann beantwortet hatte. Dass sich damals, vor über vierzig Jahren, alle gewundert hätten, dass eine so schöne, gebildete Frau diesen vierschrötigen Kerl heiratete, der gerne einen trank und in den Wirtshäusern keinem Händel aus dem Weg ging und, hinter vorgehaltener Hand, dass er das Wildern im Blut hätte. Erwischt hätte man ihn nie, aber … was man so hörte.

    Schielin nahm nicht den üblichen Weg hinüber nach Streitelsfingen. Auf die Aussicht wollte er heute verzichten und wählte den schmalen Pfad gleich hinter der Weide, direkt in den Motzacher Wald hinein. Schweißtropfen rannen ihm von der Stirn und kitzelten sanft am Nasenrücken. Im Wald regte sich kein Zweig, kein Blatt – er stand stumm im Bad der Glut. Schielin machte Tempo, musste sich an seinen Gedanken abarbeiten, um ihnen die Möglichkeit zu nehmen allzu wild mit ihm umzuspringen. Ronsard zickte nicht und nahm den flotten Gang auf, spürte den aufgewühlten Zustand seines Besitzers. Schielin spürte die Hitzewolken, die vom schwarzen Fell seines Esels nach außen drangen.
    Ein langer, geschwungener Aufstieg beraubte Schielins Körper aller überflüssiger, unguter Energie. Als sie das Blätterdach bei Weißensberg verließen und den Ort am südlichen Rand passierten, verfielen beide in jenen sanften, schwingenden Trott, der dem Körper nichts zumutete und den Geist befreit wirken ließ. Die Regelmäßigkeit, in welcher die Hufe aufschlugen, dazu das nicht minder gleichmäßige Lockern und Ziehen der Leine, versetzten Schielin in eine Art von Trance. Er musste zudem nicht auf den Weg achten, konnte sich ganz auf Ronsard verlassen, der jede Tourvariante kannte.
    Irgendwann sprach Schielin: »Wer von uns beiden ist nun der Esel, he! Jetzt, wo ich weiß, wie alles war, oder gewesen sein könnte, scheint alles so klar und deutlich in der Welt zu stehen, als sei es nie anders gewesen. Ich hätte in letzter Zeit öfter mit dir gehen sollen, um zu reden. Du wärst sicher an entscheidenden Punkt stehen geblieben, wie seinerzeit Bileams Eselin, als sie den Engel Gottes vor sich sah, der den Weg verstellte. Nur Bileam, der Blinde, hatte nichts gesehen. Und wie ein blinder Bileam, so komme ich mir vor. Aber keine Sorge, geschlagen, so wie er seine Eselin, hätte ich dich nicht, mein Guter.« Er ging weiter. »Wir brauchen eine Strategie, einen Plan, wie wir vorgehen werden, denn wir werden kein Wort erfahren, wenn wir mit ein paar Vermutungen kommen, einen Verdacht äußern und plump drohen, das wird nicht verfangen. Wir müssen eine Situation schaffen, die den Eigenstolz schwächt und das schafft man nicht mit Getue von außen – das muss unser Gegenüber schon selbst erledigen, verstehst du. Es muss selbst in die Falle hüpfen, sich darüber ärgern, so muss man es anstellen. Und wie, denkst du, kriegt man intelligente Menschen dazu, an einem solchen Punkt in die Falle zu hüpfen? Intelligente Menschen, die alles durchdacht haben, zigfach in eigenen Gedanken gewendet und gedreht, jede Variante kennen, auf alle Wendungen vorbereitet, und die ständig auf der Hut sind?« Ronsard blieb stehen. Ein Grasbüschel hängte seine frischen Triebe zu aufreizend von der Böschung in den Weg.
    »Richtig, mein Lieber. Mit dummen Fragen schafft man das. Jetzt muss mir nur noch die ein oder andere plumpe Dummheit einfallen.«
    Ronsard malmte behäbig. Das fette Gras knirschte zwischen den

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