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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Weihnachten, in St. Alphonsus. Ich habe das nie vergessen, weil er ausgerechnet im Altarraum stand, wenn Sie verstehen, was ich meine. Die Krippe stand bei der Kommunionbank, und er war dahinter auf den Stufen zum Seitenaltar.«
    »Und Sie sind sicher, daß er es war?«
    Michael nickte. »Es war der Mann. Ich habe ihn dann noch mal gesehen, dessen bin ich fast sicher, aber daran habe ich schon seit Jahren nicht mehr gedacht. Es war in einem Konzert in der Stadt, in einem Konzert, das ich nie vergessen werde, weil Isaac Stern an diesem Abend spielte. Es war das erste mal, daß ich so etwas hörte, live, wissen Sie. Jedenfalls sah ich den Mann dort im Publikum. Er schaute mich an.«
    Michael stockte; die Szene jenes längst vergangenen Augenblicks kehrte zurück – und machte ihn traurig, denn es war eine so traurige und bedrückende Zeit gewesen. Er schüttelte die Erinnerung ab. Lightner las seine Gedanken, das wußte er.
    »Sie sind unklar, wenn Sie aufgeregt sind«, sagte Lightner sanft. »Aber dies ist äußerst wichtig, Mr. Curry…«
    »Als ob ich das nicht wüßte! Es hat alles etwas mit dem zu tun, was ich sah, als ich ertrunken war. Ich weiß das, weil ich nach dem Unfall immer wieder darüber nachdachte, als ich mich auf nichts anderes mehr konzentrieren konnte. Ich meine, ich wachte auf, sah das Haus, dachte: Jawohl, fahr hin. Rowan Mayfair nannte es eine fixe Idee.«
    »Erlauben Sie, daß ich Sie noch um etwas mehr Geduld bitte«, sagte Lightner. »Würden Sie mir erzählen, was Sie von den Visionen noch in Erinnerung haben? Sie sagten ja, Sie hätten sie nicht restlos vergessen…«
    Kurz beschrieb Michael die Frau mit dem schwarzen Haar, das Juwel, das zwischendurch erschien, das unbestimmte Bild oder die Idee einer Tür… »Nicht die Tür des Hauses; die kann es nicht sein. Aber es hat mit dem Haus zu tun.« Und etwas mit einer Zahl, die er vergessen hatte. Nein, nicht die Hausnummer. Keine lange Zahl, zweistellig nur, aber von äußerst wichtiger Bedeutung. Und der Auftrag, natürlich, der Zweck des Ganzen, und das deutliche Gefühl, daß er auch hätte ablehnen können.
    »Ich kann nicht glauben, daß sie mich hätten sterben lassen, wenn ich abgelehnt hätte. Sie haben mir in allem die Wahl gelassen. Ich habe mich dafür entschieden, zurück zu kommen und den Auftrag zu erfüllen. Als ich erwachte, wußte ich, daß ich etwas furchtbar Wichtiges zu tun hatte.«
    Lightner versuchte gar nicht, seine Überraschung zu verbergen. »Gibt es noch etwas, woran Sie sich erinnern?«
    »Nein. Manchmal habe ich das Gefühl, ich werde mich gleich an alles erinnern. Aber dann entgleitet mir wieder alles. Ich begann erst vierundzwanzig Stunden danach an das Haus zu denken. Nein, vielleicht sogar noch später. Und sofort spürte ich, daß es einen Zusammenhang gab. Das gleiche Gefühl hatte ich gestern abend. Ich war an den richtigen Ort gekommen, wo ich alle Antworten finden konnte, und noch immer erinnerte ich mich nicht! Das reicht, um einen wahnsinnig zu machen.«
    »Ich kann es mir vorstellen«, sagte Lightner, aber er hatte sich immer noch nicht von seiner Überraschung und seinem Erstaunen über all das, was Michael gesagt hatte, erholt. »Lassen Sie mich eine Vermutung äußern. Ist es möglich, daß Sie Rowans Hand nahmen, als Sie wiederbelebt wurden, und daß dieses Bild des Hauses dabei von Rowan zu Ihnen kam?«
    »Möglich wäre es, aber Sie lassen eine entscheidende Tatsache außer acht. Rowan weiß nichts über das Haus. Sie weiß nichts über New Orleans, und sie weiß nichts über ihre Familie, abgesehen von der Adoptivmutter, die letztes Jahr gestorben ist.«
    Dies schien Lightner nicht recht glauben zu wollen.
    »Hören Sie«, sagte Michael. Das Thema schlug ihn immer mehr in seinen Bann, und er wußte das. Tatsächlich sprach er ja auch gern mit Lightner. Aber jetzt ging die Sache doch zu weit. »Sie müssen mir erzählen, wieso Sie über Rowan Bescheid wissen. Freitagabend, als Rowan mich in San Francisco abholte, da hat sie Sie gesehen. Und sie hat gesagt, sie hätte Sie schon einmal gesehen. Sie müssen jetzt ehrlich zu mir sein, Lightner. Was ist das für eine Sache mit Rowan? Wieso kennen Sie sie?«
    »Ich werde es Ihnen erzählen«, sagte Lightner mit der ihm eigenen Sanftmut. »Aber ich muß Sie noch einmal fragen: Sind Sie sicher, daß Rowan noch nie ein Bild von dem Haus gesehen hat?«
    »Nein. Genau darüber haben wir gesprochen. Sie ist in New Orleans zur Welt

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