Hexenstunde
gekommen. Nach gutem Mahl und gutem Nachtschlaf war er wohl erholt aufgestanden und hatte sich angeschickt, auf die Jagd zu gehen, als ihn aber ein Schmerz überkommen hatte, woraufhin er wieder zu Bett gegangen war.
Die ganze Nacht hatte die Comtesse zusammen mit seiner Mutter an seinem Bett gewacht und seinem Stöhnen gelauscht. »Die Verletzung ist tief in seinem Innern«, hatte die Gemahlin erklärt. »Ich kann nichts dagegen tun. Bald wird ihm das Blut auf die Lippen treten. Wir müssen ihm geben, was wir haben, um den Schmerz zu lindern.«
Und dann war ihm, wie prophezeit, das Blut auf die Lippen getreten, sein Stöhnen war lauter geworden, und er hatte seine Frau, die doch so viele kuriert hatte, jammernd angefleht, sie möge ihm ihre besten Arzneien bringen. Wieder hatte die Comtesse ihrer Schwiegermutter und ihren Kindern anvertraut, dies sei eine Krankheit, gegen die ihre Magie machtlos sei. Und die Tränen waren ihr in die Augen gestiegen.
»Aber kann denn eine Hexe weinen? Ich frage Euch!« rief der Wirt, der den Tisch abgewischt und dabei zugehört hatte.
Ich räumte ein, daß eine Hexe es vermutlich nicht könne.
Sodann schilderten sie mir, wie der Comte weiter gelitten und wie er schließlich geschrien habe, als der Schmerz immer stechender wurde, obgleich sein Weib ihm reichlich Kräuter und Wein gegeben hatte, um die Qualen stumpf und den Geist freizumachen.
»Rette mich, Deborah«, schrie er und weigerte sich, den Priester zu empfangen, als er kam. Doch dann, in seiner letzten Stunde, bleich und fiebernd, blutend aus Mund und Eingeweiden, da zog er den Priester dicht zu sich heran und erklärte, sein Weib sei eine Hexe, ihre Mutter sei wegen Hexerei verbrannt worden, und er müsse nun für all ihre Missetaten büßen.
»Eine Hex’, das ist sie, und das ist sie immer gewesen. Was hat sie mir nicht alles gestanden! Hat mich verhext mit den Listen einer jungen Braut, geweint an meiner Brust. Gefesselt hat sie mich an sich und ihre bösen Künste. In der Stadt Donnelaith in Schottland hat ihre Mutter sie in der Schwarzen Magie unterwiesen, und dort ward ihre Mutter auch vor ihren eigenen Augen verbrannt.«
Und seiner Frau, die an seinem Bett kniete und schluchzend die Hände vors Gesicht geschlagen hatte, rief er zu: »Deborah, um der Liebe Gottes willen, ich leide Höllenqualen. Du hast des Bäckers Weib gerettet, du hast die Müllerstochter gerettet. Warum willst du mich nicht retten?«
So wild war seine Raserei, daß der Priester ihm die Sterbesakramente nicht mehr geben konnte, und er starb fluchend: ein wahrlich grauenvoller Tod.
Die junge Comtesse fing gleichfalls an zu toben, als sein Auge sich schloß; sie rief ihn und beteuerte ihre Liebe zu ihm, und dann lag sie selbst wie tot. Ihre Söhne Chrétien und Philippe versammelten sich um sie, und ebenso ihre schöne Tochter Charlotte, und sie suchten sie zu trösten und hielten sie in ihren Armen, da sie hingestreckt am Boden lag.
Die alte Comtesse indessen blieb geistesgegenwärtig, und sie hatte sich wohl gemerkt, was ihr Sohn gesagt hatte. Gleich schlich sie sich in die Privatgemächer ihrer Schwiegertochter, und in den Schränken dort fand sie nicht nur zahllose Salben und Öle und Tränke zur Heilung von Krankheiten und zum Vergiften, sie fand auch eine seltsame Puppe, roh aus Holz geschnitzt, mit einem Kopf aus Knochen, auf den Mund und Augen gezeichnet und schwarze Haare geklebt waren, in denen winzige Seidenblumen steckten. Entsetzt ließ die alte Comtesse das Figürchen fallen, denn sie wußte, daß es etwas Böses sein müsse. Als sie die übrigen Schranktüren aufriß, gewahrte sie Gold und Edelsteine von unermeßlichem Wert, Haufen davon in Kästen und kleinen Seidenbeuteln: Gewiß, erklärte die alte Comtesse, hatte die junge Frau das alles stehlen wollen, wenn ihr Gemahl tot wäre.
Die junge Comtesse wurde noch in derselben Stunde verhaftet, derweil die Großmutter ihre Enkelkinder zu sich in ihre Gemächer kommen ließ, um sie zu lehren, welcher Natur dieses greuliche Übel sei, auf daß sie mit ihr gegen die Hexe einstehen könnten, ohne Schaden zu erleiden.
»Es war aber allen bekannt«, sagte der Sohn des Wirtes, der mehr redete als irgendein anderer der Anwesenden, »daß diese Juwelen das Eigentum der jungen Comtesse waren und daß sie sie aus Amsterdam mitgebracht hatte, wo sie als Witwe eines reichen Mannes gelebt hatte. Unser Comte hingegen, bevor er sich auf die Suche nach einer reichen Gemahlin begab, hatte
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