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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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wenig mehr als ein hübsches Antlitz, fadenscheinige Gewänder und Schloß und Land seines Vaters.«
    (Oh, wie diese Reden mich schmerzten, Stefan, vermagst du nicht zu fassen. Doch warte ab und höre meine Geschichte zu Ende.)
    Trauriges Seufzen entrang sich der ganzen kleinen Gesellschaft.
    »Und so großzügig war sie mit ihrem Gold«, sagte ein anderer. »Man brauchte ja nur zu ihr zu gehen und sie um Hilfe zu bitten, und schon hatte man welches.«
    »Oh, sie ist eine mächtige Hexe, daran ist kein Zweifel«, sagte ein anderer. »Wie sonst hätte sie so viele an sich binden können wie den Comte?« Aber selbst diese Worte waren ohne Haß und Angst.
    In meinem Kopf drehte sich alles, Stefan.
    »Also hat nun die alte Comtesse dieses Geld in ihre Obhut genommen«, stellte ich fest; ich hatte den Kern der Sache erkannt. »Und was, wenn ich fragen darf, ist aus der Puppe geworden?«
    »Verschwunden«, sagten alle im Chor, als antworteten sie auf die Litanei in der Kirche. »Verschwunden.« Aber Chrétien habe geschworen, daß er das scheußliche Ding gesehen habe und wisse, daß es vom Satan komme; er habe zudem bezeugt, daß seine Mutter damit gesprochen habe wie mit einem Götzenbild.
    Und so ging es weiter; von neuem brach Babel los an unserem Tisch, und sie ließen Tiraden vom Stapel und erklärten, es sei kein Zweifel, daß die schöne Deborah wahrscheinlich auch
    ihren Amsterdamer Gemahl ermordet habe, bevor der Comte ihr begegnet sei, denn so sei es schließlich Hexenart, nicht wahr – oder könne irgend jemand bestreiten, daß sie eine Hexe sei, nachdem nun die Geschichte ihrer Mutter bekannt geworden sei?
    »Aber hat man denn den Beweis erbracht, daß die Geschichte vom Tod ihrer Mutter wahr ist?« fragte ich beharrlich.
    »Vom Parlament von Paris, an welches die Dame sich gewandt hatte, wurden Briefe an den Geheimen Staatsrat von Schottland geschrieben, und von dort erhielt man die Bestätigung, daß zwanzig Jahre zuvor zu Donnelaith in der Tat eine schottische Hexe verbrannt worden sei und eine Tochter namens Deborah hinterlassen habe, die von einem Gottesmann fortgebracht worden sei.«
    Wie sank mein Mut, als ich dies vernahm, denn nun wußte ich, daß es keine Hoffnung mehr geben konnte. Gab es ein schlimmeres Zeugnis wider sie denn dieses, daß ihre Mutter vor ihr verbrannt worden war? Und ich brauchte nicht einmal mehr zu fragen, ob das Pariser Parlament ihr Hilfeersuchen abgelehnt habe.
    »Ja, und mit dem amtlichen Schreiben aus Paris kam ein illustriertes Flugblatt, das in Schottland noch immer weit verbreitet war, und darin hieß es, die böse Hexe von Donnelaith sei eine Hebamme und eine weise Frau von großem Ruhm gewesen, ehe ihr teuflisches Treiben bekannt geworden war.«
    Ich behauptete, ich hätte manche Hinrichtung mit erlebt und hoffte, noch viele andere zu sehen, und fragte sodann nach dem Namen der schottischen Hexe – denn vielleicht wären mir ja die Akten ihres Prozesses bei meinen Studien schon unter die Augen gekommen. »Mayfair«, antworteten sie. »Suzanne of the Mayfair, die sich mangels eines anderen Namens Suzanne Mayfair nannte.«
    Deborah. Es konnte sich nur um das Kind handeln, das ich vor so vielen Jahren aus dem schottischen Hochland gerettet hatte.
    »Aber sie gesteht nicht?«
    Nein, sagten sie, doch das Zeugnis wider sie sei so erdrückend, daß es darauf nicht mehr ankomme; ihre Schwiegermutter habe gehört, wie sie mit unsichtbaren Wesen gesprochen habe, ihr Sohn Chrétien habe es mit an gesehen, und auch ihr Sohn Philippe und sogar Charlotte, die Tochter. Diese allerdings sei lieber geflohen, als daß sie Fragen gegen ihre Mutter beantwortet hätte. Aber auch andere Leute könnten Zeugnis abgeben von der Macht der Comtesse, die Gegenstände bewegen könne, ohne sie anzurühren, die Zukunft weissage und zahllose andere, unmögliche Dinge vermochte.
    »Der Teufel hat sie in Trance versetzt, als sie gefoltert wurde«, behauptete der Sohn des Wirts. »Wie sonst könnte ein menschliches Wesen in einen Dämmerzustand verfallen, derweil glühende Eisen auf sein Fleisch gedrückt werden?«
    Bei diesen Worten drehte sich mir der Magen um; ich fühlte mich erschöpft, ja, beinahe überwältigt. »Und sie hat keine Komplizen benannt?« fragte ich. »Denn solche Komplizen zu benennen, bedrängt man sie doch meistens sehr.«
    »Ah, aber sie war die mächtigste Hexe, von der man in dieser Gegend je gehört hat, Pater«, sagte der Weinhändler. »Was brauchte sie da andere? Als der

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