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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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ich es noch klarer machen? Ich muß das Mädchen sehen; ich muß sie vor dem Geist warnen. Und um der Liebe des Himmels willen: Woher, glaubst du, hat dieses Kind, geboren acht Monate, nachdem Deborah sich in Amsterdam von mir verabschiedete, die helle Haut und das flachsblonde Haar?
    Ich werde dich wiedersehen. Meine Liebe an euch alle, meine Brüder und Schwestern in der Talamasca. Ich fahre voller Erwartung in die Neue Welt. Ich werde Charlotte sehen. Ich werde dieses Wesen bezwingen, und vielleicht werde ich selbst mit ihm kommunizieren, denn es hat eine Stimme und große Macht, und dann werde ich von ihm erfahren, warum es von uns lernt.
    Getreu der Deine wie stets in der Talamasca
    Petyr van Abel
    Marseille

 
    15
     
     
    DIE AKTE ÜBER DIE MAYFAIR-HEXEN
    TEIL III
     

    Port-au-Prince
    Saint Domingue
     
Stefan,
    nachdem ich Dir zwei Sendschreiben aus den Häfen habe zukommen lassen, in denen wir vor unserer Ankunft hier Anker warfen, beginne ich nun mit dem Tagebuch meiner Reisen, in welchem jeder Eintrag an dich adressiert sein soll.
    Ich schreibe dies in einer überaus bequemen, wenn nicht geradezu luxuriösen Unterkunft hier in Port-au-Prince, nachdem ich zwei Stunden in dieser Kolonialstadt umherspaziert bin, immer wieder geblendet von schönen Häusern und prächtigen öffentlichen Gebäuden – darunter ein Theater für die Aufführung der italienischen Oper – und von den reich gekleideten Pflanzern und ihren Gattinnen mit ihrem großen Heer von Sklaven.
    Was die exotischen Eigenschaften angeht, so ist auf meinen Reisen kein Ort gewesen, der Port-au-Prince gleich gekommen wäre, und ich glaube nicht, daß irgendeine Stadt in Afrika dem Auge so viel zu bieten hätte.
     
    Denn es sind nicht nur Neger allenthalben dabei, jegliche Arbeit zu erledigen, sondern auch eine Vielzahl von Ausländern befaßt sich mit mancherlei Geschäften. Ich habe eine umfangreiche und offenbar gutsituierte »farbige« Bevölkerung bemerken können, die zur Gänze aus der Nachkommenschaft der Pflanzer und ihrer afrikanischen Konkubinen besteht und die von ihren weißen Vätern freigelassen wurde; diese Leute verdienen sich nunmehr einen ansehnlichen Lebensunterhalt als Musiker oder Handwerker, als Einzelhändler und zweifellos auch als Frauen von zweifelhaftem Ruf. Die farbigen Frauen, die ich gesehen habe, sind über die Maßen schön, und ich kann es den Männern nicht verdenken, daß sie sie als Mätressen oder Abendgesellschafterinnen erwählen. Viele von ihnen haben goldbraune Haut und große, schwarze, tiefe Augen, und sie sind sich ihres Zaubers offensichtlich bewußt. Sie kleiden sich äußerst auffällig und haben selbst auch viele schwarze Sklaven.
     
    Charlotte und ihren Mann kennen hier alle, aber von ihrer Familie in Europa weiß man nichts. Sie haben eine der größten und am besten gedeihenden Plantagen in der Nähe von Port-au-Prince, unweit des Meeres, erworben. Von den Außenbezirken der Stadt fährt man mit der Kutsche vielleicht eine Stunde dorthin; das Anwesen grenzt an mächtige Klippen über dem Strand, und man rühmt das große Haupthaus und die anderen herrlichen Gebäude – eine ganze Stadt gleichsam, mit Schmied und Schuster, mit Schneiderinnen und Webern und Möbeltischlern inmitten der weitläufigen Gärten, in denen Kaffee und Indigo gepflanzt wird, was mit jeder Ernte ein stattliches Vermögen einbringt.
    In der kurzen Zeit, in der die Franzosen nun hier sind, in endlose Kämpfe mit den Spaniern verwickelt, die den südöstlichen Teil der Insel besiedeln, hat die Pflanzung drei verschiedene Besitzer zu reichen Männern gemacht; zwei von ihnen leben jetzt mit ihrem Vermögen in Paris, und der dritte starb an einem Fieber. Heute ist sie im Besitz der Fontenays, Antoine Pere und Antoine Fils, aber alle wissen, daß es Charlotte ist, die das Geschäft führt.
    Man erzählt, sie habe die Verwaltung bis ins letzte Detail in die eigene Hand genommen, und sie reite mit ihrem Aufseher durch die Felder – Stefan, niemandem hier bringt man mehr Verachtung entgegen als diesen Aufsehern – und kenne alle ihre Sklaven mit Namen. Sie spart an nichts, wenn es darum geht, sie mit Speise und Trank zu versorgen, und hat sie so in außergewöhnlicher Loyalität an sich gebunden; sie besichtigt ihre Häuser, hätschelt ihre Kinder und schaut in die Seelen aller Beschuldigten, ehe sie ihnen eine Strafe zumißt. Ihr Urteil hingegen über den, der sie verrät, ist längst legendär; der Macht dieser Pflanzer hier

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