Hexenstunde
andere Dienstbotengeschichten finden sich in unseren Akten zu Mary Beth und ihren Talenten, aber alle haben ein gemeinsames Thema: Mary Beth sei eine Hexe gewesen, und sie habe ihre Kräfte gezeigt, wann immer sie oder ihr Besitz oder ihre Familie in Bedrohung gerieten. Aber wir wollen noch einmal betonen, daß die Geschichten dieser Dienstboten sich in markanter Weise von dem anderen Material, das wir haben, unterscheiden.
Wenn wir indessen das gesamte Spektrum ihres Lebens betrachten, werden wir sehen, daß sich auch bei anderen Quellen überzeugende Beweise für Hexerei finden lassen.
Nach allem, was wir folgern können, hatte Mary Beth drei alles überragende Leidenschaften.
Die erste, aber nicht die wichtigste, war ihr Verlangen, Geld zu machen und Mitglieder ihrer Familie an der Schaffung eines ungeheuren Vermögens zu beteiligen. Es ist ein Understatement, wenn man sagt, sie sei erfolgreich gewesen.
Beinahe vom Anfang ihres Lebens an hören wir Geschichten von Schatztruhen voller Edelsteine, von Börsen voller Goldmünzen, die niemals leer wurden, und von den Goldmünzen, die Mary Beth bedenkenlos den Armen zugeworfen habe.
Viele Male soll sie die Leute aufgefordert haben, das Gold »rasch auszugeben«; was immer sie aus ihrer magischen Börse weg gebe, habe sie warnend gesagt, kehre bald zu ihr zurück.
Was diese Edelsteine und Münzen angeht – so könnte es sein, daß ein mysteriöser und unbelegbarer Zustrom von Reichtümern in der ganzen Finanzgeschichte der Familie eine Rolle spielt. Aber auf der Basis dessen, was wir wissen, können wir solche Annahmen nicht machen.
Sachdienlicher ist die Frage nach dem Einsatz von Mary Beths prophetischen Fähigkeiten und okkulten Kenntnissen bei ihren Investitionen.
Schon eine flüchtige Untersuchung ihrer finanziellen Erfolge erweist, daß sie ein Finanzgenie war. Sie war sehr viel mehr daran interessiert, Geld zu machen, als Julien es gewesen war, und sie hatte ein offensichtliches Gespür dafür, zu wissen, was passieren würde, bevor es passierte; oft warnte sie Freunde und Bekannte vor bevorstehenden Krisen oder Bankpleiten, wenngleich diese häufig nicht auf sie hörten.
Tatsächlich trotzen Mary Beths vielfältige Investitionen jeder konventionellen Erklärung. Sie »machte in allem«, wie man so sagt: Sie engagierte sich unmittelbar als Baumwollmaklerin, im Immobilien-, Transport-, Eisenbahn- und Bankgeschäft, im Handel und später auch im Alkoholschmuggel. Sie investierte ständig in höchst unwahrscheinliche Unternehmungen, die sich dann als erstaunlich erfolgreich erwiesen. Sie war von Anfang an bei der Entwicklung verschiedener Chemikalien und anderer Erfindungen beteiligt, die ihr unkalkulierbare Summen Geldes eintrugen.
Während Juliens Erfolge, so groß sie auch waren, immer noch einem einzelnen Mann und seinem Geschick zugeschrieben werden konnten, ist es beinahe unmöglich, Mary Beths Erfolg auf so einfache Weise zu erklären. Julien interessierte sich beispielsweise überhaupt nicht für moderne Erfindungen, wenn es um Investitionen ging. Mary Beth hatte eine regelrechte Leidenschaft für Apparaturen und moderne Technologien, und nie beging sie auf diesem Gebiet auch nur einen einzigen Fehler. Das gleiche galt für das Transportgeschäft, von dem Julien überhaupt nichts, Mary Beth hingegen eine ganze Menge verstand. Julien kaufte zwar gern Gebäude, auch Fabriken und Hotels, aber niemals erwarb er unerschlossenes Land; Mary Beth hingegen kaufte riesige Flächen davon überall in den Vereinigten Staaten und verkaufte sie später mit unglaublichem Gewinn. Tatsächlich sind ihre Kenntnisse darüber, wie und wo Dörfer und Städte sich entwickeln würden, ganz und gar unerklärlich.
Mary Beth achtete dabei ihr Leben lang sorgfältig darauf, öffentliches Aufsehen zu meiden. Ihr Lebensstil in der First Street war nie sonderlich auffällig – außer daß sie irgendwann ihre Liebe zum Automobil entdeckte und eines Tages so viele besaß, daß sie alle Garagen der Nachbarschaft mieten mußte, um sie unterzubringen.
Nur wenige Menschen wußten, wieviel Geld und Macht sie wirklich hatte.
Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, daß Mary Beth ein komplettes Geschäftsleben führte, von dem andere Leute gar nichts wußten – insofern, als sie über ein ganzes Heer von Finanzangestellten verfügte, mit denen sie in ihrem Büro in der City zusammenkam und von denen niemals einer nur in die Nähe der First Street geriet. Es war ein »luxuriöser
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