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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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haben, und man muß sie mit dem sprichwörtlichen Körnchen Salz betrachten.
    Nichtsdestoweniger sind sie bemerkenswert…
    Die Dienstboten sprachen oft davon, daß Mary Beth ins French Quarter hinunterging, um sich dort mit den Voodoo-Frauen zu beraten, und daß sie in ihrem Zimmer einen Altar hatte, an dem sie den Teufel anbetete. Sie sagten, Mary Beth habe gewußt, wenn man log; sie habe gewußt, wo man gewesen war, und sie habe gewußt, wo jedes andere Mitglied der Familie Mayfair sich aufhielt; sie habe in jedem Augenblick gewußt, was alle diese Leute gerade taten. Und sie sagten, Mary Beth habe keinerlei Versuch unternommen, dies Geheimzuhalten.
    Sie sagten auch, Mary Beth sei diejenige gewesen, an die die schwarzen Dienstboten sich wandten, wenn sie Ärger mit den einheimischen Voodoo-Frauen hatten; Mary Beth habe gewußt, welches Pulver man benutzen, was für Kerzen man verbrennen mußte, um einem Zauberbann entgegen zuwirken, und sie habe Geister herbeibefehlen können; Mary Beth habe mehr als einmal erklärt, etwas anderes sei Voodoo nicht. Man befehle den Geistern. Der Rest sei Theater.
    Eine irische Köchin, die zwischen 1895 und 1902 gelegentlich im Hause beschäftigt war, erzählte einem unserer Ermittler beiläufig, Mary Beth habe ihr erzählt, es gebe alle möglichen Arten von Geistern in der Welt, aber die unteren seien am leichtesten zu kommandieren, und jedermann könne sie herbeibeschwören, wenn er es nur wolle. Mary Beth habe alle Zimmer im Haus und alle Dinge darin von Geistern bewachen lassen. Aber Mary Beth warnte die Köchin davor, selbst Geister herauf zu beschwören. Das berge auch seine Gefahren in sich, und man überlasse es daher am besten Leuten, die Geister sehen und fühlen konnten, wie Mary Beth es konnte.
    »Man konnte die Geister im Haus fühlen, ohne Zweifel«, sagte die Köchin, »und wenn man die Augen halb zukniff, konnte man sie auch sehen. Aber Miss Mary Beth brauchte das nicht zu machen; sie konnte sie die ganze Zeit ganz deutlich erkennen, und sie sprach auch mit ihnen und nannte sie beim Namen.«
    Es gibt mindestens fünfzehn verschiedene Berichte über Mary Beths Voodoo-Altar, auf dem sie Weihrauch und verschiedenfarbige Kerzen verbrannte und von Zeit zu Zeit Gipsheilige aufstellte. Aber in keinem der Berichte erfahren wir präzise, wo dieser Altar stand. (Es ist eine interessante Feststellung, daß kein schwarzer Dienstbote, der nach diesem Altar befragt wurde, jemals ein Wort darüber verlor.)
    Einige andere Geschichten, die wir kennen, sind äußerst phantasievoll. So hat man uns mehrmals berichtet, Miss Mary Beth habe sich nicht nur gekleidet wie ein Mann, sondern sie habe sich in einen Mann verwandelt, wenn sie im Anzug und mit Stock und Hut ausging. Und bei solchen Gelegenheiten sei sie stark genug gewesen, um jeden, der sie etwa angegriffen hätte, zurück zu schlagen.
    Eines frühen Morgens, als sie zu Pferde allein auf der St. Charles Avenue unterwegs war ( Julien war krank und sollte bald darauf sterben), habe ein Mann versucht, sie aus dem Sattel zu zerren; daraufhin habe sie sich selbst in einen Mann verwandelt und den Kerl mit bloßer Faust halb tot geprügelt, und dann habe sie ihn an ein Seil gebunden und mit ihrem Pferd zur nächsten Polizeiwache geschleift. »Das haben viele Leute gesehen«, sagte man uns. Noch 1935 machte diese Geschichte im Irish Channel die Runde. Tatsächlich geht aus den Polizeiakten hervor, daß ein solcher Überfall und die nachfolgende »Bürgerverhaftung« 1914 tatsächlich stattgefunden haben. Der Täter starb ein paar Stunden danach in seiner Zelle.
    Die bei weitem wertvollste Geschichte aus der frühen Periode, die wir besitzen, haben wir von einem Droschkenfahrer 1910 erzählt bekommen: Er habe Mary Beth im Jahre 1908 einmal in der Rue Royale aufgenommen; er sei sicher, daß sie allein in seine Droschke gestiegen sei, aber er habe gehört, wie sie den ganzen Weg zur Stadt hinaus mit jemandem gesprochen habe. Als er ihr am Kutschenplatz in der First Street den Schlag geöffnet habe, sei da ein gutaussehender Mann bei ihr im Wagen gewesen. Sie sei ins Gespräch mit ihm vertieft gewesen, habe sich aber beim Anblick des Kutschers unterbrochen und kurz aufgelacht. Dann habe sie ihm zwei schöne Goldmünzen gegeben und gesagt, das sei sehr viel mehr als das erforderliche Fahrgeld und er solle es nur rasch ausgeben. Als der Droschkenfahrer nachschaute, ob der Mann nicht ebenfalls aussteigen wollte, war niemand da.
    Noch zahlreiche

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