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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Büchern sowie etliche Kisten gemischten Inhalts.
    Wir wissen, daß Gläser und Flaschen im zweiten Stock des Hauses in der First Street verschwanden, und von zeitgenössischen Zeugen haben wir über diese Gläser und Flaschen nie wieder etwas gehört.
    Julien hatte zu jener Zeit sein Schlafzimmer im zweiten Stock; es ist das Zimmer, in dem er nach Richard Llewellyns Beschreibung starb.
    Viele von Marguerites Büchern, darunter obskure Texte über Schwarze Magie in deutscher und französischer Sprache, gelangten in die Bibliotheksregale im Erdgeschoß.
    Mary Beth bekam das alte Hauptschlafzimmer im Nordflügel über der Bibliothek, das seitdem stets von der Trägerin des Vermächtnisses benutzt wird. Die kleine Belle, die vielleicht noch zu jung war, um Anzeichen des Schwachsinns erkennen zu lassen, bezog das erste Schlafzimmer auf der anderen Seite der Diele, schlief aber in frühen Jahren oft bei ihrer Mutter.
    Mary Beth begann den Mayfair-Smaragd regelmäßig zu tragen. Und man kann sagen, daß sie zu dieser Zeit, als Erwachsene und Herrin des Hauses, ihr Erbe antrat. Die Gesellschaft von New Orleans nahm jetzt jedenfalls Notiz von ihr, und die ersten geschäftlichen Transaktionen mit ihrer Unterschrift erscheinen um diese Zeit in den öffentlichen Akten.
    Zahlreiche Porträtphotos zeigen sie mit dem Smaragd; viele Leute sprachen davon, und zwar mit Bewunderung. Und auf vielen dieser Photos trägt sie Männerkleidung. Dutzende von Zeugen bestätigen im übrigen Richard Llewellyns Aussage, daß Mary Beth sich gerne als Mann kleidete und in dieser Aufmachung öfters mit Julien ausging. Vor ihrer Hochzeit mit Daniel McIntyre führten diese Ausflüge nicht nur in die Bordelle des French Quarter, sondern umfaßten ein ganzes Spektrum von gesellschaftlichen Aktivitäten; sogar auf Bällen erschien Mary Beth ausstaffiert »mit Frack und Fliege« wie ein Mann.
    Zwar war die bessere Gesellschaft im allgemeinen über dieses Verhalten schockiert, aber die Mayfairs machten derartige Fehlleistungen mit Geld und Charme wett. Freigiebig vergaben sie in den diversen Wirtschaftskrisen der Nachkriegszeit Darlehen an jeden, der es nötig hatte. Beinahe demonstrativ spendeten sie für wohltätige Zwecke, und unter der Leitung von Clay Mayfair erwirtschaftete Riverbend eine üppige Zuckerernte nach der anderen und damit weitere Reichtümer.
    In diesen frühen Jahren scheint Mary Beth wenig Feindseligkeit bei anderen geweckt zu haben. Selbst wer abfällig von ihr spricht, bezeichnet sie nie als bösartig oder grausam; allerdings kritisiert man sie häufig als kalt, geschäftsmäßig, gleichgültig gegenüber den Gefühlen anderer und männlich im Auftreten.
    Bei aller Körperkraft und Größe war sie jedoch kein Mannweib. Nicht wenige beschreiben sie als »sinnlich«, und gelegentlich bezeichnet man sie sogar als »schön«. Zahlreiche Photos bestätigen dies. Sie war eine bezaubernde Erscheinung in ihrer Männerkleidung, vor allem in jenen jungen Jahren. Mehr als ein Mitglied der Talamasca hat bemerkt, daß Mary Beth, während Stella, Antha und Deirdre Mayfair – ihre Tochter, Enkelin und Urenkelin – eher dem zierlichen Typus der Südstaatenschönen, der »Southern Belle« entsprachen, starke Ähnlichkeit mit den hinreißenden, »überlebensgroßen« amerikanischen Filmstars besaß, die nach ihrem Tod auftraten: Ava Gardner vor allem, und Joan Crawford.
    Bis zu ihrem Tod mit vierundfünfzig Jahren behielt sie ihr rabenschwarzes Haar. Wie groß sie genau war, wissen wir nicht, aber wir können schätzen, daß sie etwa ein Meter zweiundachtzig maß. Sie war nie dick, aber starkknochig und sehr kräftig. Sie ging mit großen Schritten. Der Krebs, der sie tötete, wurde erst sechs Monate vor ihrem Tod entdeckt, und sie blieb bis in die letzten Wochen hinein eine »attraktive« Frau, bevor sie schließlich in ihrem Krankenzimmer verschwand und nie wieder hervorkam.
    Es gibt indessen keinen Zweifel, daß Mary Beth für ihre körperliche Schönheit nur wenig Interesse aufbrachte. Sie war zwar immer gut gepflegt und sah manchmal wirklich umwerfend aus, wenn sie ihr Ballkleid und ihre Pelzstola angelegt hatte, aber nie berichtet irgend jemand, sie sei verführerisch gewesen. Diejenigen, die sie als »unweiblich« bezeichnen, verbreiten sich ausführlich über ihre unverblümte, brüske Art und ihre scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber ihren eigenen beträchtlichen Vorzügen.
    Es muß angemerkt werden, daß fast alle diese Eigenschaften

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