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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Job«, wie ein alter Herr meint, der sich erinnert, daß sein Freund für Mary Beth ausgedehnte Reisen nach London, Paris, Brüssel und Zürich unternahm, nicht selten mit gewaltigen Geldsummen im Gepäck. Die Unterbringung auf Schiffen und in Hotels war stets Erster Klasse, berichtet dieser alte Herr. Und Mary Beth verteilte regelmäßig Bonusse. Eine andere Quelle behauptet mit Entschiedenheit, Mary Beth habe ohne Wissen der Familie selbst häufig solche Reisen unternommen.
    Wir kennen fünf verschiedene Geschichten darüber, wie Mary Beth sich an Leuten rächte, die versucht hatten, sie zu betrügen. In einer geht es darum, daß ihr Sekretär Landing Smith mit dreihunderttausend Dollar ihres Geldes in bar die Flucht ergriff; er bestieg unter falschem Namen einen Dampfer nach Europa und war überzeugt, ihr entkommen zu sein. Drei Tage nach der Abreise aus New York wachte er mitten in der Nacht auf, weil Mary Beth an seinem Bett saß. Sie nahm ihm nicht nur das Geld ab, sondern prügelte ihn mit der Reitgerte durch und ließ ihn dann blutüberströmt und halb wahnsinnig auf dem Kabinenboden liegen, wo ihn der Steward später fand. Er legte sogleich ein umfassendes Geständnis ab. Mary Beth wurde an Bord des Schiffes nicht gefunden, und das Geld auch nicht. Diese Geschichte war auch in den örtlichen Zeitungen zu lesen; Mary Beth selbst hat allerdings weder bestätigt noch dementiert, daß je etwas gestohlen worden war.
    Ein Zweig der Familie Mayfair – Nachkommen von Clay Mayfair, die heute in New York leben – will mit den Mayfairs in New Orleans nichts zu schaffen haben, und zwar wegen einer Auseinandersetzung mit Mary Beth, die im Jahr 1919 stattfand.
    Anscheinend investierte Mary Beth zu jener Zeit intensiv ins New Yorker Bankengeschäft. Aber zwischen ihr und einem Cousin war es zu einem Streit gekommen. Er glaubte, um es kurz zu machen, nicht daran, daß Mary Beths Pläne funktionieren würden. Sie glaubte es doch. Er versuchte, ihre Pläne ohne ihr Wissen zu unterlaufen. Sie erschien in seinem Büro in New York, riß ihm die entscheidenden Papiere aus der Hand und warf sie in die Luft, wo sie in Flammen aufgingen und verbrannten, ehe sie den Boden erreicht hatten. Dann warnte sie ihn, daß sie ihn umbringen werde, wenn er je wieder versuchen sollte, sein eigen Fleisch und Blut zu betrügen. Wieder und wieder erzählte er diese Geschichte wie zwanghaft jedem, der sie hören wollte, ruinierte damit wirkungsvoll seinen Ruf und machte seinem Berufsleben ein Ende: Man hielt ihn für verrückt. Drei Monate nach Mary Beths Erscheinen beging er Selbstmord, indem er aus seinem Bürofenster sprang. Bis zum heutigen Tage gibt die Familie Mary Beth die Schuld an seinem Tod und spricht nur haßerfüllt von ihr und ihren Nachkommen.
    Was die Mayfairschen Finanzen angeht, so verdient dieses Thema mehr Aufmerksamkeit, als wir ihm widmen können. Wenn jemand mit Kenntnissen in diesen Dingen ein gründliches Studium der Geschichte der Mayfairs in Angriff nehmen wollte – und wir beziehen uns hier nur auf öffentliche Dokumente, die für jeden zugänglich sind, der sorgfältig genug danach sucht -, würden wir möglicherweise überzeugende Hinweise auf die Verwendung okkulter Kräfte im Laufe der Jahrhunderte zum Zwecke der Vermögensgewinnung und des Vermögensaufbaus erhalten. Die Edelsteine und Goldmünzen sind dabei womöglich noch der kleinste Teil.
    Um es abzuschließen: Mary Beth hat ihre Familie sehr viel reicher hinterlassen, als die meisten von ihnen es anscheinend je wußten oder einschätzen konnten. Und dieser Reichtum existiert bis heute.
    Mary Beths zweite Leidenschaft war die Familie. Von Anfang ihres Geschäftslebens an beteiligte sie ihre Vettern (oder Brüder) Barclay, Garland, Cortland und andere Mayfairs an ihren Unternehmungen; sie holte sie in die Firmen, die sie gründete, und sie benutzte Mayfair-Anwälte und Mayfair-Bankiers für ihre Transaktionen. Genaugenommen benutzte sie Mayfairs und keine Fremden, wann immer sie konnte. Und sie bedrängte andere Mayfairs heftig, es genauso zu halten. Als ihre Tochter Carlotta bei einer fremden Anwaltskanzlei anfing, zeigte sie Enttäuschung und Mißbilligung, ergriff aber keine restriktiven oder strafenden Maßnahmen und tat nichts, um Carlottas Entscheidung zu unterlaufen.
    Mit Stella und Lionel war Mary Beth notorisch nachsichtig, und sie erlaubte ihnen, tage- oder auch wochenlang Freunde zu Hause zu beherbergen. Sie schickte sie mit Hauslehrern und

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