Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
wo nichts ist. Das haben sie mit meinem Mann gemacht. Und wissen Sie, warum? Weil mein Mann ein Hexenmeister ist, ein mächtiger Hexenmeister. Man braucht sich solcher Worte gar nicht zu genieren – Hexenmeister, Zauberer. Der Mann ist einer. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, was er tun kann.«
    Gerade heraus gefragt, ob ihr Mann ihr je etwas Böses angetan habe, sagte die Frau, nein, sie müsse gestehen, das habe er nicht getan. Es sei das, was er bei anderen gutheiße, was er mitmache und was er glaube. Dann fing sie an zu weinen und erklärte, sie vermisse ihren Mann, und sie wolle jetzt nicht mehr darüber reden.
    An dieser Stelle wurde sie von einer Nichte gerettet, und erst ein paar Jahre später kam der Kontakt von neuem zustande.
    Ein weiterer Umstand spricht für eine enge Beziehung zwischen Cortland und Stella: Nach Juliens Tod fuhr Cortland mit Stella und ihrem Bruder Lionel für mehr als ein Jahr nach England und nach Asien. Cortland hatte zu dieser Zeit bereits fünf Kinder, die er bei seiner Frau zurückließ. Aber die Reise geht anscheinend auf seine Anregung zurück; er war verantwortlich für alle Arrangements, und er zog das ganze Unternehmen so sehr in die Länge, daß die Gruppe erst nach achtzehn Monaten wieder in New Orleans ankam.
    Nach dem Weltkrieg verließ Cortland Frau und Kinder schon wieder, um mit Stella auf Reisen zu gehen. Und bei familiären Streitigkeiten scheint er sich immer auf Stellas Seite gestellt zu haben.
    Diese Hinweise sind sicher nicht zwingend, aber sie deuten durchaus darauf hin, daß Cortland der Vater Stellas gewesen sein kann. Andererseits kommt natürlich auch Julien trotz seines hohen Alters als Vater in Frage. Kurz – wir wissen es nicht.
    Wer auch immer der Vater gewesen sein mag, Stella war von Geburt an »das Hätschelkind«. Daniel McIntyre scheint sie jedenfalls geliebt zu haben wie seine eigene Tochter, und es ist durchaus möglich, daß er nie wußte, daß sie es nicht war.
    Aus den frühen Jahren der drei Kinder wissen wir wenig Spezifisches, und Richard Llewellyns Beschreibung ist die persönlichste, die wir besitzen.
    Als die Kinder älter wurden, gab es indessen mehr und mehr Gerede über Zwietracht zwischen ihnen, und als Carlotta mit vierzehn Jahren ins Internat vom Heiligen Herzen ging, wußte jeder, daß es gegen Mary Beths Wunsch geschah und daß es auch Daniel das Herz brach und er sich die Heimkehr seiner Tochter noch mehr wünschte als seine Frau. Niemand beschreibt Carlotta als glückliches Kind. Aber es ist bis heute schwierig, Informationen über sie zu erhalten, denn sie lebt noch, und selbst Leute, die sie schon seit fünfzig Jahren kennen, haben große Angst vor ihr und ihrem Einfluß, und sie sprechen nur äußerst widerwillig von ihr.
    Wie die Leute auch immer über sie urteilen mögen, Carlotta wurde schon als kleines Mädchen wegen ihrer Intelligenz bewundert. Die Nonnen, die sie unterrichteten, bezeichneten sie sogar als Genie. Sie blieb bis zum Ende der High-School im Internat und wechselte dann, noch sehr jung, nach Loyola zum Jurastudium.
    Lionel indessen ging mit acht Jahren zur Tagesschule. Er scheint ein stiller, artiger Junge gewesen zu sein, der niemandem große Schwierigkeiten bereitete und der allseits beliebt war. Er hatte einen festangestellten Hauslehrer, der ihm bei den Schulaufgaben half, und mit der Zeit wurde er so etwas wie ein außergewöhnlicher Schüler. Aber er fand außerhalb der Familie nie irgendwelche Freunde. Seine Verwandten waren seine einzigen Spielgefährten, wenn er nicht in der Schule war.
    Stellas Geschichte unterschied sich von Anfang an merklich. Allen Berichten zufolge war sie ein besonders bezauberndes, verführerisches Kind. Sie hatte weiches, schwarzes, welliges Haar und riesengroße schwarze Augen. Wenn man die zahlreichen Photos betrachtet, die von 1901 bis zu ihrem Tod im Jahr 1929 von ihr gemacht wurden, ist es schier unmöglich, sich vorzustellen, daß sie in einer anderen Ära gelebt haben sollte – so gut paßt sie mit ihren knabenhaften Hüften, dem roten Schmollmund und ihrer Pagenfrisur in diese Zeit.
    Auf den frühesten Bildern erscheint sie wie der Inbegriff des wonnigen Kindes in einer Seifenreklame: eine weißhäutige kleine Verführerin, die dem Betrachter seelenvoll und doch verspielt entgegenschaut. Mit achtzehn sah sie aus wie Clara Bow.
    Am Abend ihres Todes war sie, nach Auskunft zahlreicher Augenzeugen, eine Femme fatale von unvergeßlicher Macht, die wild den Charleston

Weitere Kostenlose Bücher