Hexenstunde
Charles Avenue hatte, wurde für diese große Heimkehrerparty in das Haus in der First Street beordert und machte dort eine ganze Serie von Bildern mit Mary Beth, Stella und Antha, aber auch Photos von anderen Mayfairs, den ganzen Nachmittag über, wie es etwa auch ein Hochzeitsphotograph tut.
Als er eine Woche später mit den Bildern vorbeikam, damit Mary Beth und Stella sich aussuchen konnten, was sie haben wollten, wählten die beiden Frauen eine stattliche Anzahl aus und legten die verworfenen beiseite.
Aber dann nahm Stella eines der beiseitegelegten Bilder noch einmal in die Hand – eine Gruppenaufnahme mit ihr und ihrer Mutter und ihrer Tochter, auf der Mary Beth der kleinen Antha eine Kette mit einem großen Smaragd an den Hals hielt. Auf die Rückseite dieses Bildes schrieb Stella: »Der Talamasca – herzlichst, Stella! P. S.: Andere wachen ebenfalls.« Dann gab sie das Bild dem Photographen und lachte glockenhell, und sie erklärte ihm, sein Freund, der Detektiv, werde schon wissen, was diese Widmung zu bedeuten habe.
Der Photograph war verlegen; er beteuerte seine Unschuld, brachte dann Ausreden für seine Vereinbarung mit dem Detektiv vor – aber was immer er sagte, Stella lachte nur. Schließlich sagte sie in überaus charmantem und beruhigendem Ton: »Mr. Brand, Sie regen sich unnötig auf. Geben Sie dem Detektiv einfach das Bild.« Und Mr. Brand tat es.
Es erreichte uns etwa einen Monat später. Und es sollte einen entscheidenden Einfluß auf die Art und Weise haben, wie wir uns der Familie Mayfair näherten.
Zu jener Zeit hatte die Talamasca kein spezielles Mitglied eigens mit der Untersuchung des Falles Mayfair betraut; die Informationen wurden von verschiedenen Archivaren in die Akte gegeben, wann immer sie eintrafen. Arthur Langtry – ein hervorragender Gelehrter und ein brillanter Erforscher des Hexenwesens – war mit dem gesamten Material vertraut, aber er hatte sich sein ganzes Erwachsenenleben lang auch mit drei anderen Fällen befaßt, an denen er bis zum Tag seines Todes besessen arbeitete.
Langtry fand sich bereit, das ganze Material noch einmal zu sichten, aber dringende Angelegenheiten verhinderten, daß er je wirklich dazu kam, es auch auszuwerten. Allerdings erhöhte man auf seine Veranlassung hin die Zahl der Ermittler in New Orleans von drei Berufsdetektiven auf vier, und überdies machte er einen weiteren exzellenten Kontakt ausfindig, einen Mann namens Irwin Dandrich, den mittellosen Sohn einer sagenhaft reichen Familie, der sich in den besten Kreisen bewegte und zugleich Informationen an jeden verkaufte, der sie haben wollte – an Schnüffler, Scheidungsanwälte, Versicherungsdetektive und sogar an Skandalblätter.
Dieses Photo jedenfalls mit seiner eindeutigen Botschaft verursachte danach ziemlichen Wirbel. Ein junges Mitglied des Ordens, ein Amerikaner aus Texas namens Stuart Townsend (der durch jahrelanges Leben in London anglisiert worden war) bat darum, den Fall der Mayfair-Hexen im Hinblick auf eine direkte Observation studieren zu dürfen, und nach sorgfältiger Erwägung gab man ihm die ganze Akte in die Hand.
Stuart war zu jener Zeit mit mehreren anderen bedeutenden Untersuchungen beschäftigt, und so brauchte er ungefähr drei Jahre, um das Mayfair-Material vollständig durchzuarbeiten. Zum gegebenen Zeitpunkt werden wir zu ihm und zu Arthur Langtry zurück kehren.
Nach ihrer Heimkehr lebte Stella im großen und ganzen so weiter wie vor ihrer Europareise – das heißt, sie zog durch Kneipen, gab Partys für ihre Freunde, wurde zu zahlreichen Mardi-Gras-Bällen eingeladen, wo sie sensationelle Auftritte hatte, und benahm sich ganz allgemein wie die nichtsnutzige Femme fatale, die sie vorher auch gewesen war.
Unsere Detektive hatten keinerlei Mühe, Informationen über sie zu sammeln, denn sie war alles andere als unsichtbar, und in der ganzen Stadt zerriß man sich die Mäuler über sie.
Die Familienlegende berichtet, Carlotta habe Stella in dieser Zeit in hohem Maße mißbilligt und mit Mary Beth darüber gestritten; wiederholt und vergebens habe sie gefordert, Stella müsse endlich zur Ruhe kommen. Durch die Dienstboten (und durch Dandrich) wird dies bestätigt, aber von ihnen erfährt man auch, daß Mary Beth sich sehr wenig um die Sache gekümmert hat und eigentlich fand, daß Stella eine erfrischend unbekümmerte Person sei und nicht angebunden werden dürfe.
Eine Freundin aus der besseren Gesellschaft zitiert Mary Beth sogar folgendermaßen:
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