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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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denn alle diese Geschichten stammen ja aus völlig verschiedenen Quellen und wurden, soweit wir es wissen, außer von uns noch nie von irgend jemandem zusammengetragen und miteinander in Verbindung gebracht.
    Doch zurück zu unserer Chronologie. Nach Juliens Tod stand Mary Beth auf dem Höhepunkt ihrer finanziellen Macht und ihres Erfolgs. Es war, als sei sie nach dem Verlust Juliens zu einer gehetzten Frau geworden, und eine Zeitlang bezeichnet man sie in Gerüchten und Klatschgeschichten als »unglücklich«. Aber dieser Zustand war nicht von Dauer. Ihre charakteristische Ruhe scheint sich lange vor der Heimkehr der Kinder aus dem Ausland wieder eingestellt zu haben.
    Wir wissen, daß sie einen kurzen und erbitterten Streit mit Carlotta hatte, bevor Carlotta in die Anwaltskanzlei Byrnes, Brown und Blake eintrat. Aber schließlich akzeptierte sie Carlottas Entscheidung, »außerhalb der Familie« zu arbeiten, und Carlottas kleine Wohnung über den Stallungen wurde vollständig für sie renoviert; sie wohnte dort noch viele Jahre und konnte kommen und gehen, ohne das Haus betreten zu müssen.
    Vom Beginn ihrer Karriere an war sie als brillante Anwältin bekannt, aber es verlangte sie nie danach, einen Gerichtssaal zu betreten, und bis heute arbeitet sie im Schatten der Männer in der Kanzlei.
    Ihre Gegner behaupten, sie sei nichts als eine verklärte Kanzlei-schreiberin. Wohlmeinendere Äußerungen lassen indes vermuten, daß sie das »Rückgrat« von Byrnes, Brown und Blake wurde: Sie ist diejenige, die über alles Bescheid weiß, und wenn sie in Pension geht, wird die Firma große Mühe haben, einen Ersatz für sie zu finden.
    Viele Anwälte in New Orleans haben Carlotta zugestanden, daß sie ihnen mehr beigebracht habe, als sie an der Universität gelernt hätten. Alles in allem kann man wohl sagen, daß sie von Anfang an eine tüchtige und brillante Zivilrechtlerin war und geblieben ist und daß ihre Kenntnisse im Wirtschaftsrecht gewaltig und absolut zuverlässig sind.
    Von dem Scharmützel mit Carlotta abgesehen, verlief Mary Beths Leben fast bis zum Ende ohne Überraschungen. Selbst Daniel McIntyres Trinkerei scheint sie nicht sonderlich belastet zu haben.
    Die Familienlegende bekräftigt, daß sie in den letzten Jahren ihres Lebens äußerst gut zu Daniel war.
    Von hier an ist die Geschichte der Mayfair-Hexen eigentlich Stellas Geschichte, und wir werden uns zum geeigneten Zeitpunkt mit Mary Beths letzter Krankheit und ihrem Tod befassen.
     
    FORTSETZUNG DER GESCHICHTE STELLAS UND MARY BETHS
    Mary Beth verfolgte weiter ihre drei Hauptfreuden im Leben; großes Vergnügen bereiteten ihr auch die Possen ihrer Tochter Stella, die mit sechzehn eine Art Skandalnudel für die bessere Gesellschaft von New Orleans wurde, wie sie mit halsbrecherischer Geschwindigkeit in ihren Autos umherfuhr, durch illegale Kneipen zog und die Nacht durch tanzte.
    Acht Jahre lang führte Stella das Leben eines Backfischs oder einer sorglosen jungen »Southern Belle«, völlig unbeeindruckt von geschäftlichen Sorgen oder Gedanken an die Ehe oder die Zukunft. Und während Mary Beth die ruhigste und geheimnisvollste Hexe war, die die Familie je hervorbrachte, war Stella anscheinend die am meisten unbekümmerte, spritzigste, waghalsigste – kurz die einzige Mayfair-Hexe, die ausschließlich darauf aus war, »Spaß zu haben«.
    Die Familienlegende berichtet, daß Stella immer wieder verhaftet wurde: wegen zu schnellen Fahrens und wegen öffentlicher Ruhestörung, womit gemeint war, daß sie auf den Straßen gesungen und getanzt hatte. »Miss Carlotta hat das immer geregelt«, heißt es; sie ging Stella holen und brachte sie nach Hause. Manche sagen, Cortland habe sich mit seiner »Nichte« gelegentlich ungeduldig gezeigt; er habe verlangt, daß sie sich ordentlich benehme und sich besser um ihre »Pflichten« kümmere. Aber Stella hatte nicht das geringste Interesse an Geld oder Geschäft.
    Eine Sekretärin von Mayfair und Mayfair schildert in lebhaften Details, wie Stella einmal zu Besuch ins Büro kam; sie erschien in einem flotten Pelzmantel und mit sehr hohen Absätzen, und sie hatte eine braune Tüte mit einer Flasche Schwarzmarkt-Whisky dabei, aus der sie während der Besprechung dauernd trank, während sie ständig in wildes Gelächter über all die lustigen juristischen Formeln ausbrach, die ihr im Zusammenhang mit der in Frage stehenden Transaktion vorgelesen wurden.
    Cortland war anscheinend bezaubert, aber auch ein bißchen

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