Hexenstunde
irgendeiner Weise mit dem Übernatürlichen verbunden.
Auf die Bitte, Rowans Reputation zu beschreiben, antwortete ein Arzt: »Sie ist ein Genie. Was soll ich sonst sagen?«
ROWANS TELEKINETISCHE FÄHIGKEITEN
Ein erst später entdeckter Aspekt von Rowans Leben ist höchst signifikant und stellt eines der am meisten verstörenden Kapitel in der Geschichte der Mayfairs dar. Wir haben gerade erst begonnen, diesen zweiten, geheimnisvollen Aspekt von Rowans Persönlichkeit zu dokumentieren, und wir fühlen uns genötigt, unsere dahingehenden Ermittlungen fortzusetzen und die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, in sehr naher Zukunft Kontakt mit Rowan aufzunehmen. Obgleich es ein zutiefst beunruhigender Gedanke ist, ihre Ahnungslosigkeit hinsichtlich des familiären Hintergrundes zu beenden, sehen wir uns ob der Bedeutung dieses Aspektes dazu gezwungen. Die damit verbundene Verantwortung ist ungeheuerlich.
Als Graham Franklin 1988 an einer Gehirnblutung starb, schickte uns einer unserer dortigen Detektive eine kurze Schilderung der Begebenheit und fügte nur wenige Einzelheiten hinzu unter anderem die, daß der Mann in Rowans Armen gestorben sei.
Da wir von der tiefen Kluft zwischen Graham Franklin und seiner sterbenden Frau wußten, lasen wir diesen Bericht mit einiger Sorgfalt. Konnte es sein, daß Rowan seinen Tod irgend wie verursacht hatte? Wir wurden neugierig.
Auf der Suche nach weiteren Informationen über Grahams Pläne, sich von seiner Frau scheiden zu lassen, stießen unsere Ermittler auf Grahams Geliebte Karen Garfield, und wenig später berichteten sie, Karen habe mehrere schwere Herzattacken erlitten. Dann meldeten sie ihren Tod, zwei Monate nach dem von Graham.
Ohne der Angelegenheit weitere Bedeutung beizumessen, hatten sie auch von einem Zusammentreffen zwischen Rowan und Karen berichtet, das just an dem Tag stattgefunden hatte, an dem Karen mit dem ersten schweren Herzanfall ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Karen hatte nur wenige Stunden nach ihrer Begegnung mit Rowan mit unserem Ermittler (»Sie sind ein netter Typ, Sie gefallen mir«) gesprochen, ja, sie beendete das Gespräch mit ihm, weil sie sich nicht wohlfühlte.
Die Ermittler sahen den Zusammenhang nicht, aber wir sahen ihn. Karen Garfield war erst siebenundzwanzig Jahre alt. Aus dem Autopsiebericht, den wir einigermaßen mühelos in die Hände bekamen, ging hervor, daß sie eine angeborene Herzmuskelschwäche und eine angeborene Gefäßwandschwäche der Arterien hatte. Sie hatte eine Arterienblutung mit nachfolgendem Herzversagen erlitten und sich von der ersten Beschädigung des Herzmuskels nicht wieder erholt. Die folgenden Herzanfälle schwächten sie zunehmend, bis sie schließlich starb.
Nur eine Herztransplantation hätte sie noch retten können; da sie aber eine sehr seltene Blutgruppe hatte, kam diese Operation für sie nicht in Frage. Außerdem hätte die Zeit nicht gereicht.
Der Fall kam uns sehr ungewöhnlich vor, zumal dieser Zustand ihr bis dahin nie Beschwerden bereitet hatte. Als wir Grahams Autopsiebericht studierten, stellten wir fest, daß er ebenfalls an einem Aneurisma – also einer Schwäche der Arterienwände – gestorben war. Eine massive Blutung hatte ihn beinahe auf der Stelle getötet.
Wir wiesen unsere Detektive an, Rowans früheres Leben zu durchforsten, so gut es ging, und nach plötzlichen Todesfällen durch Herzversagen, zerebrovaskulare Schäden oder ähnliche innere Traumata Ausschau zu halten.
Ehrlich gesagt, ich erwartete nicht, daß die Ermittlungen irgend etwas erbringen würden.
Von Leuten mit telekinetischen Kräften dieses Ausmaßes – der Fähigkeit, schwere innere Schädigungen zuzufügen – ist selbst in den Annalen der Talamasca praktisch nichts zu finden. Und in der Familie Mayfair kannten wir niemanden, der mit solcher Wucht den Tod bringen konnte.
Viele Mayfairs haben Gegenstände bewegt, Türen zuschlagen, Fenster klappern lassen. Aber in jedem einzelnen Fall dürfte es sich eher um pure Hexerei gehandelt haben – genauer gesagt, um Einwirkungen Lashers oder eines niederen Geistes – und nicht um Telekinese.
Die Geschichte der Mayfairs war die Geschichte einer Familie von Hexen mit einer leichten Beimischung von Telepathie, Heilkräften oder anderen übersinnlichen Fähigkeiten.
Einstweilen studierte ich alle Informationen über Rowan, die wir hatten. Ich war zu dem Zeitpunkt noch der Meinung, daß wir eine Intervention in ihrem Falle nicht riskieren durften. Im
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