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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Gegenteil, ich dachte, wir müßten uns darauf vorbereiten, die Akte über Rowan und die Mayfairs zu schließen, sobald Deirdre sterben würde. Vielleicht würde Rowan das Haus in der First Street nie zu Gesicht bekommen. Vielleicht wäre »der Fluch« ja irgend wie gebrochen. Dann hätte Carlotta Mayfair am Ende gesiegt.
    Andererseits war es natürlich zu früh, um das zu wissen. Was sollte Lasher daran hindern, sich diesem hochbegabten Medium zu offenbaren, dieser jungen Frau, die in den Köpfen anderer Menschen vielleicht deutlicher lesen konnte als ihre Mutter und ihre Großmutter und in deren enormem, kraftvollem Ehrgeiz sich Vorfahren wie Marie Claudette, Julien oder Mary Beth widerspiegelten, von denen sie nichts wußte, über die sie aber eine Menge herausfinden konnte?
    Während ich all das erwog, dachte ich unversehens oft an Petyr van Abel – Petyr, dessen Vater ein großer Chirurg und Anatom in Leiden gewesen war und der bis heute in den Geschichtsbüchern vorkommt. Zu gern hätte ich Rowan Mayfair gesagt: »Sehen Sie diesen Namen – ein holländischer Arzt, der berühmt war für seine Studien der Anatomie. Das ist Ihr Vorfahr. Vielleicht ist sein Blut und sein Talent durch all die Generationen, durch all die Jahre auf Sie herab gekommen.«
    Dies waren meine Gedanken, als unsere Ermittler im Herbst 1988 begannen, Erstaunliches über traumatische Todesfälle in Rowans Vergangenheit zu vermelden. So scheint es etwa, daß ein kleines Mädchen, das auf einem Spielplatz in San Francisco einen Streit mit Rowan hatte, plötzlich eine massive Hirnblutung erlitt und zwei Schritte vor der hysterischen Rowan verstarb, ehe man auch nur einen Krankenwagen rufen konnte.
    1974, als Rowan ein Teenager war, überstand sie den Angriff eines einschlägig vorbestraften Vergewaltigers, weil der Mann einen tödlichen Herzanfall bekam, als Rowan sich gegen ihn zur Wehr setzte.
    1984, an dem Nachmittag, an dem er zum erstenmal über schwere Kopfschmerzen klagte, erzählte Dr. Karl Lemle vom Keplinger Institute seiner Sekretärin, er habe eben ganz unerwartet Rowan getroffen, und er verstehe nicht, weshalb sie sich so feindselig zeigte. Als er versucht habe, sie anzusprechen, sei sie wütend geworden und habe ihn vor den Augen der anderen Ärzte in der Klinik einfach stehenlassen. Er habe davon regelrechte Kopfschmerzen bekommen. Er bat um ein Aspirin, und am selben Abend wurde er wegen der ersten einer Serie von Gehirnblutungen ins Krankenhaus eingeliefert, wo er binnen weniger Wochen starb.
    Damit belief sich die Zahl der an Hirn- oder Herzgefäßblutungen Gestorbenen in Rowans engstem Umkreis auf fünf Personen. Drei von ihnen waren in ihrer Anwesenheit gestorben. Zwei hatten sie innerhalb weniger Stunden vor dem Ausbruch der Erkrankung gesehen.
    Ich wies meine Detektive an, jeden einzelnen von Rowans Klassenkameraden und Kollegen einer erschöpfenden Untersuchung zu unterziehen und jeden einzelnen Namen, der ihnen genannt wurde, mit dem Sterberegister in San Francisco und in der jeweiligen Geburtsstadt abzugleichen. Natürlich würde das Monate dauern.
    Aber innerhalb weniger Wochen fanden sie einen weiteren Todesfall. Owen Gander war es, der mich anrief, einer unserer vertrauenswürdigsten Mitarbeiter und einer der besten Detektive, die wir haben.
    Er hatte folgendes zu berichten. An der Universität in Berkeley 1978 hatte Rowan einen schrecklichen Streit mit einer anderen Studentin wegen einer Laborarbeit. Rowan glaubte, das Mädchen habe sich absichtlich an ihren Geräten zu schaffen gemacht. Sie hatte die Geduld verloren – was äußerst selten geschah -, irgendeinen Arbeitsgegenstand zu Boden geworfen, daß er zerbrach, und dem Mädchen dann den Rücken zugewandt. Daraufhin habe die andere sich über sie lustig gemacht, bis andere Studenten einschritten und sie drängten, aufzuhören.
    Das Mädchen fuhr am selben Abend nach Hause nach Palo Alto, Kalifornien, weil am nächsten Tag die Frühjahrsferien begannen. Als die Ferien zu Ende waren, war sie an einer Hirngefäßblutung gestorben. Aus den Unterlagen geht nicht hervor, daß Rowan es je erfuhr.
    Als ich den Bericht las, rief ich Gander von London aus an. »Wie kommen Sie darauf, daß Rowan es nicht wußte?« fragte ich ihn.
    »Keine ihrer Freundinnen wußte es. Als ich im Register von Palo Alto entdeckte, daß das Mädchen tot war, recherchierte ich bei Rowans Freundinnen. Sie erinnerten sich an den Streit, aber sie wußten nicht, was später aus dem Mädchen

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