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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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dunklen Schlund, die Lasher gemacht hatte…
    Ja, ich kenne deine Tricks. Du hast sie aufschwellen und von ihrem Stiel brechen lassen, nicht wahr? Oh, niemandem ist wirklich klar, wieviel Macht du hast. Kannst ganze Blätter aus dem Stiel einer toten Rose sprießen lassen. Woher nimmst du deine hübsche Gestalt, wenn du erscheinst, und warum tust du es nicht für mich? Hast du Angst, daß ich dich in alle vier Winde zerstieben lasse? Daß du nie wieder die Kraft haben wirst, dich zu sammeln?
    Sie träumte schon wieder, oder? Eine Blume, die sich verwandelte wie diese Iris, die sich vor ihren Augen veränderte, deren Zellen sich tatsächlich vermehrten und mutierten…
    Ja, sie träumte. Alle wandelten in den Hallen von Leiden. Wissen Sie nicht, was sie mit Michael Servetus im calvinistischen Genf getan haben, als er im Jahr 1553 den Blutkreislauf akkurat beschrieben hatte: Sie haben ihn auf dem Scheiterhaufen verbrannt und alle seine ketzerischen Bücher mit ihm. Sehen Sie sich vor, Dr. van Abel.
    Ich bin keine Hexe.
    Natürlich, das ist niemand von uns. Es ist nur eine Frage der dauernden Neubewertung unseres Konzepts der Naturgesetze.
    An den Rosen war nichts Natürliches.
    Und jetzt die Luft hier drin, die Art, wie sie sich bewegte, wie sie die Gardinen erfaßte und zum Tanzen brachte, wie sie die Papiere vor ihr auf dem Couchtisch in Unordnung brachte und sogar die Haare hob und ihr den Kopf kühlte. Deine Tricks. Sie hatte jetzt genug von diesem Traum. Stehen die Patienten in Leiden nach der Anatomiestunde immer auf und spazieren davon?
    Aber du wagst nicht, dich zu zeigen, wie?
     
    Sie traf sich um zehn mit Ryan und berichtete ihm von ihren Heiratsplänen: sie bemühte sich, es sachlich und endgültig klingen zu lassen, um so wenige Fragen wie möglich zu provozieren.
    »Und ich möchte dich um einen Gefallen bitten«, sagte sie dann und nahm die Smaragdkette aus ihrer Handtasche. »Könntest du dies in einen Tresor legen? Einfach wegschließen, so daß es niemand mehr in die Hände bekommen kann?«
    »Natürlich. Ich kann’s hier im Büro verwahren«, sagte er. »Aber, Rowan, es gibt ein paar Dinge, die ich dir wohl erklären sollte. Dieses Vermächtnis ist sehr alt – du mußt jetzt ein wenig Nachsicht haben. Die Vorschriften und Klauseln sind etwas wunderlich und bizarr, aber gleichwohl unmißverständlich. Es ist leider unumgänglich, daß du den Smaragd bei deiner Hochzeit trägst.«
    »Das ist nicht dein Ernst.«
    »Dir ist natürlich klar, daß diese kleinen Verfügungen höchstwahrscheinlich sehr leicht gerichtlich anfechtbar sind; aber bei ihrer buchstabengetreuen Befolgung geht es – und ging es zu allen Zeiten – darum, auch nur die entfernteste Möglichkeit zu vermeiden, daß irgend jemand irgendwann im Lauf der Geschichte das Vermächtnis anficht. Bei einem Privatvermögen dieses Umfangs und dieser…«
    Und so ging es im vertrauten Anwaltston immer weiter. Aber sie hatte verstanden. Lasher hatte diese Runde gewonnen. Lasher kannte die Bedingungen des Vermächtnisses, nicht wahr? Er hatte ihr einfach das entsprechende Hochzeitsgeschenk gemacht.
    Ihr Zorn war kalt und dunkel und isolierte sie von allem, wie er es immer getan hatte, wenn er am schlimmsten gewesen war. Sie starrte aus dem Bürofenster, ohne den sanften Wolkenhimmel oder den tiefen, gewundenen Einschnitt des Flusses dort unten zu sehen.
    »Ich werde die Goldkette reparieren lassen«, sagte Ryan. »Sie ist anscheinend gerissen.«

 
    38
     
     
    Niemanden schien die Neuigkeit zu überraschen. Aaron trank beim Frühstück auf ihr Wohl und ging dann wieder an seine Arbeit in der Bibliothek in der First Street, wo er auf Rowans Einladung die seltenen Bücher katalogisierte.
    Ryan mit den kalten blauen Augen und der geschmeidigen Zunge kam am Donnerstag nachmittag vorbei, um Michael die Hand zu schütteln. In freundlichem Plauderton machte er mit wenigen Worten klar, daß er von Michaels Erfolg beeindruckt war – was nur bedeuten konnte, daß er Michael durch die üblichen Finanzkanäle hatte überprüfen lassen, als hätte er sich um einen Job beworben.
    »Es ist alles ein bißchen ärgerlich, da bin ich sicher«, gab er schließlich zu, »wenn wir den Verlobten der designierten Erbin des Vermächtnisses durchleuchten lassen, aber Sie müssen wissen, daß ich in diesen Dingen im Grunde keine Wahl habe…«
    »Es stört mich nicht«, sagte Michael und lachte leise. »Wenn Sie irgend etwas wissen möchten und nicht herausfinden

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